Eine Presseschau mehrerer Wochen und die letzte dieses Jahres – diesmal mit Schwerpunkt auf dem Thema „Mittelverwendung und Korruption“.
„Darfs ein bisschen mehr sein?“, ein bekanntes Zitat aus dem Metzgermilieu. Dass es manchmal auch Anwendung auf Entwicklungshilfegelder findet, ist dagegen skurril zu nennen. Überschüssige Gelder müssen zum Jahresende noch schnell verteilt werden – damit das Budget im kommenden Jahr wegen geringerer Mittelvergabe nicht gekürzt wird. Da werden alte bekannte Antragsteller schon mal gefragt, ob sie nicht mehr verwenden mögen. Wir gehen davon aus, dass hier alle Maßnahmen Sinn machen. Keinen Sinn macht meines Erachtens die gleichzeitige Ablehnung neuer Projekte, die in ihrer unternehmerischen Ausrichtung sowohl in Antragstellung als auch bei späterer Abrechnung und Evaluation aufwändig sind. Spricht hier nur der Neid eines abgelehnten Bewerbers?
Auch in der Presse wird kritisiert, dass Mittelverwendung manchmal nicht kritisch genug geprüft wird. Schönreden? Bequemlichkeit? Erhalt einer Entwicklungshilfe-Industrie? Lesen Sie dazu nachfolgend einen relevanten Artikel.
Mit „Korruption ist halt üblich“, betitelt die taz die kritische Recherche von Politikwissenschaftler und Afrika-Experte Hans F. Illy. Ein interner Qualitätskontrollbericht, welcher der taz vorliegt, weist eklatante Mängel in transparenter Evaluation auf. Kritische Kontrollen wären überaus wichtig,
„Doch unabhängige Gutachter haben es schwer. Der Politikwissenschaftler Hans F. Illy sagt: „Viele Gutachter-Büros sind auf die Aufträge der Förderbank KfW und der GIZ wirtschaftlich angewiesen. Sie können es sich nicht erlauben, kritisch zu evaluieren, sonst verlieren sie den Auftrag und damit auch ihre Einkommensquelle.“
Und die Mängelliste des internen Berichts weist weitere Missstände auf: erfolgskritische Risiken werden missachtet, es mangele an der Zusammenarbeit von Entwicklungshilfeorganisationen, Abrechnungen von Partnereinsatz bleiben im Dunkeln, etc. Deshalb haben viele Politiker, Wissenschaftler und auch Botschafter im September den Bonner Aufruf zum Stopp der bisherigen Entwicklungshilfe-Industrie aufgerufen. In der Erklärung heißt es, daß die Entwicklung Afrikas von innen kommen müsse. Bei aller berechtigter Kritik seitens des Autors an Korruption in Entwicklungsländern fehlt mir allerdings die betonte Kritik an der internen Vetternwirtschaft. Dennoch möchte ich Ihnen diesen Artikel zur eigenen Recherche empfehlen.
Empfehlen möchte ich Ihnen ein aufschlussreiches Interview in der Süddeutschen Zeitung mit dem Titel „Entwicklungsminister Müller: Keine Ausbeutung von Mensch und Natur akzeptieren“. Das Interview mit Entwicklungsminister Müller und dem kongolesischen Handelsexperten Boniface Mabanza führten Kristiana Ludwig und Isabel Pfaff. Herr Mabanza führt Herrn Müller vor, wie wenig Partnerschaft und sogenannte Augenhöhe es wirklich gibt, wie vielfältig und durchdacht Lösungen für die verschiedensten afrikanischen Staaten sein sollten. Sie mögen dieses sehr interessante Interview selbst lesen. Ich lese jedenfalls zwischen den Zeilen, dass viel schöngefärbte Ankündigung seitens des Entwicklungsministers gegen sachkundigen Realitäts-Kritik von Herrn Mabanza steht.
Passend dazu ein kurzer Artikel in der Welt „Marshallplan mit Afrika ist Paradebeispiel für Ankündigungspolitik“ von Ansgar Graw. Seit über zwei Jahren wird viel angekündigt, doch die Umsetzung stockt.
Ebenso die deutliche Meinung auf dw.com „Deutsche Afrikapolitik: das Ende der Euphorie“. Der Artikel betont die Ansicht vieler Kritiker: Große Pläne, wenig dahinter. Doch lesen Sie selbst.
Für sehr lesenswert halte ich den Artikel auf kurier.at „Europa hat Afrikas Entwicklung völlig verschlafen“. Management-Berater Hans Stoisser hält die bisherige Entwicklungspolitik der EU für ineffizient und schizophren. „Aus der Entwicklungshilfe ist eine Industrie entstanden, die natürlich auch Eigeninteressen verfolgt und auf alten Mustern beharrt.“ Ich finde: Recht hat er! Weiter heißt es in seiner Begründung:
„Bisher hat die EU eine schizophrene Politik betrieben. Viele Milliarden Euro sind in die Entwicklungspolitik geflossen, die getan hat, als habe sie nur afrikanische Interessen im Auge. Zugleich schlossen andere Leute beinharte Handelsverträge ab. Womöglich wurde so just jene lokale Hühnerindustrie gefördert, die wegen der europäischen Importe ohnehin keine Chance hatte.“
„Co-creation“ ist Stoissers Zauberwort. Er will Angebote für Partnerschaften, wirtschaftliche Partnerschaften. Leider würde zu oft die Wirtschaft für böse gehalten, weil sie auf Gewinne abzielt. Stoisser hingegen betont in den Gewinnen den Entwicklungsaspekt.
Dazu stehen auch wir als Sabab Lou. Wir wollen unsere Projekte wirtschaftlich nachhaltig gestalten, ja, Gewinne machen, profitabel arbeiten. Damit sich die Projekte eben selbst tragen können. Von innen heraus. Ja, das ist komplex und aufwändig.
Nun aber etwas weniger politisch, sondern sachlich, faktisch zu einem wichtigen entwicklungspolitischen Thema. In einem sehr empfehlenswerten Gastbeitrag der FAZ elaborieren Prof. Dr. Regina Birner und Thomas Daum von der Universität Hohenheim die Entwicklung von Afrikas Landwirtschaft. „Der Kleinbauer als Politikum: von Rechten gefürchtet, von Linken romantisiert“ lautet der nun doch wieder sehr binnenpolitisch angelehnte Titel. Ihre einleitende Fragestellung: Urbanisierung als Heilsweg? Deutlich bekenn sie sich zur Landwirtschaft als Entwicklungsmotor. Damit stellen sie sich dem Entwicklungsökonomen Paul Collier entgegen, der die Förderung von Kleinbauern als romantischen Populismus bezeichnete. Birner und Daum analysieren industrielle Landwirtschaft und agroökologische Anbaumethoden, beleuchten die verteufelte Abhängigkeit von machthungrigen Agrarkonzernen und die Blindheit der Öko-Romantiker. Sie plädieren für eine hochnötige differenzierte Betrachtung der Herausforderungen in der Landwirtschaft auf dem afrikanischen Kontinent. Dazu gehört auch eine Debatte über ´Grüne Gentechnik´. Dezidiert führen die Autoren die unterschiedlichen Einstellungen aus.
„Insgesamt zeigt sich, dass es für die Entwicklung der afrikanischen Landwirtschaft keine einfachen Rezepte gibt. Ihre Realität ist zu komplex für die einfachen Antworten der vorherrschenden Diskurse. Zudem erfordert die Wahl von Entwicklungsoptionen Werturteilsentscheidungen. Was also kann die Entwicklungszusammenarbeit tun? Vor allem kann sie in Institutionen investieren und in die Kapazität der Akteure, die heute und in Zukunft Afrikas Landwirtschaft gestalten: Bäuerinnen und Bauern und deren Verbände, Landwirtschaftsberater, Parlamentarier in landwirtschaftlichen Ausschüssen und Wissenschaftler an Universitäten und Agrarforschungseinrichtungen. Und dann darauf vertrauen, dass diese Akteure, über Diskursgrenzen hinweg, selbst am besten entscheiden können, wie sie das Potential ihrer Landwirtschaft nachhaltig für die Bekämpfung von Hunger und Armut nutzen wollen.“
Ein Standpunkt, den ich nur unterschreiben kann. Bitte lesen Sie diesen wertvollen Artikel.
Zum Schluss möchte ich noch auf die Ankündigung des 200-Milliarden-Versprechens der Weltbank hinweisen. In einem Artikel auf FAZ.net „Verdopplung der Hilfen: Weltbank sagt 200 Milliarden Dollar Klimahilfen für Entwicklungsländer zu“ wird auf die notwendige Förderung hingewiesen, die Entwicklungs- und Schwellenländer in der Umsetzung von Klimaschutzprojekten unterstützen soll. Die Dramatik des Klimawandels präzisiert Entwicklungsminister Müller so:
„Die reichsten zehn Prozent der Welt sind für 50 Prozent der Kohlendioxidemissionen verantwortlich. Von den Folgen sind am stärksten die armen Länder mit den niedrigsten Emissionen betroffen. Entwicklungsländer wie Bangladesch, Somalia und Äthiopien tragen fast null Prozent zur Erderwärmung bei. Dort hat der Klimawandel aber dramatische Auswirkungen.“
Deutschland will seinen jährlichen Beitrag zum Grünen Klimafonds der Vereinten Nationen ab 2019 auf 1,5 Milliarden Euro verdoppeln. Das darf nicht bei der Ankündigung bleiben.
Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch in ein erfülltes Neues Jahr 2019.
Noch ein Hinweis: Wir stehen vor einem großen, neuen Projekt, das 2019 startet. Da kann es sein, dass die Wochenschau deutlich reduziert erscheinen wird. Ich hoffe auf Ihr Verständnis.