Vielleicht langweile ich Sie mit dieser ewig gleichen Anklage, die von kundigen Entwicklungsexperten gebetsmühlenartig wiederholt und scheinbar ebenso wiederkehrend von der Politik überhört und ignoriert wird. Aber…
Noch habe ich die Aussage der Landwirtschaftsministerin nicht verdaut. Nicht, dass ich nachstehende Äußerung für falsch hielte:
„Und als Ministerin sage ich Ihnen: Zwei Drittel der Bevölkerung Afrikas sind Landwirte. Landwirtschaft ist damit ein entscheidender Schlüssel für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Eine moderne, nachhaltige und vor allem ertragreiche Landwirtschaft kann wesentlich zur Senkung der Arbeitslosigkeit beitragen, gerade den vielen jungen Menschen eine Bleibeperspektive geben. In einen größeren Rahmen gesetzt ist sie ganz konkrete Fluchtursachenbekämpfung.“
Im Gegenteil. Wir sehen in der Landwirtschaft großes Potential. Wir versuchen mit verschiedensten Maßnahmen einer nachhaltigen Produktivitäts-steigerung genau diese Perspektive zu schaffen. Um auf gambischen oder ghanaischen Märkten einen hoffnungslosen Kampf gegen zu Dumpingpreisen angebotene EU-Agrargüter zu führen!
Vielleicht langweile ich Sie mit dieser ewig gleichen Anklage, einer Anklage, die von kundigen Entwicklungsexperten gebetsmühlenartig wiederholt und scheinbar ebenso wiederkehrend von der Politik überhört und ignoriert wird. Also versuche ich weiter zu kämpfen und möchte Ihnen direkt einen entsprechenden Artikel mit Nachdruck empfehlen.
Verweisen möchte ich auf den hervorragenden Gastkommentar in der NZZ von Sabin Bieri vom Interdisziplinären Zentrum für nachhaltige Entwicklung und Umwelt (CDE) an der Universität Bern. „Die Entwicklungszusammenarbeit braucht mehr Freiheit“ beinhaltet eine umfassende, kritische Betrachtung entwicklungspolitischer Argumente und Gegenargument. Kapitel um Kapitel räumt Bieri auf mit gängigen Meinungen, Halbwahrheiten, überheblichem Kompetenzgerangel. Um zur alles entscheidenden Frage von „Krisenherd oder Kontinent der Zukunft“? zu gelangen. Eine Frage, die sich angesichts gegenseitig konterkarierender geopolitischer Maßnahmen ad absurdum führt.
„Und was die Augenhöhe angeht: Ohne massive Reduktion der Subventionen auf unseren Exportgütern, namentlich in der Landwirtschaft, würde die Anpassung von Handelsbedingungen tatsächlich keine Verbesserung herbeiführen. Solange der Freihandel das Recht des Stärkeren verteidigt, versickert jegliche Anstrengung des wirtschaftlichen Aufbaus.“
Erlauben Sie mir, Sie im Besonderen auf das bemerkenswerte Schlussplädoyer ‚Echte Perspektiven‘ hinzuweisen. Lesenswert!
Passend geht’s im folgenden Artikel um Europas Bauern. „Milliarden Euro für nichts?“ fragt der Autor Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in der FAZ. In diesem sehr lesenswerten Artikel geht es mal nicht um entwicklungspolitische Anklage, sondern um dezidierte Faktenanalyse zur wirtschaftlichen Situation der europäischen Bauern, der mit knapp 40% am Gesamtbudget bemessenen Agrarhilfen, der Privilegien des landwirtschaftlichen Sektors und deren nachhaltige Wirksamkeit. Ein umfangreicher Artikel, der sich zu lesen lohnt!
Nun noch mal eindringlich zum „globalen Huhn“. „Ghanas Bauern leiden unter Geflügel-Importen“, von Alexander Göbel im Deutschlandfunk. Ich enthalte mich einer persönlichen Stellungnahme, der Artikel spricht für sich. Ghanas Bauern wollen kämpfen mit der landesweiten Kampagne „Eat Ghana Chicken“. Dazu der Autor:
„Selbst wenn es Ghana gelingen sollte mit einer immensen finanziellen Kraftanstrengung seine Geflügelindustrie neu aufzustellen: Die Konkurrenz aus Europa und anderen Exportnationen wird das Geschäft weiter dominieren, gestützt von Agrarsubventionen, bereits etablierter Marktmacht und ausgeklügelter Massenproduktion. Ghana bleibt nichts anderes übrig, als herauszufinden, wie es sich an diese Bedingungen noch anpassen kann.“
Dann möchte ich noch auf einen exzellenten Beitrag der Autoren Philip Plickert und Thilo Thielke in der FAZ hinweisen. „Der Traum vom Freihandel in ganz Afrika“ bietet eine sorgfältige Recherche der innerafrikanischen Handelspolitik. Während die hiesige Politik der deutschen Wirtschaft den ´Compact with Afrika´ verordnen will, analysieren die Autoren den innerafrikanischen Handel, der, wie sie meinen, ´ein gewaltiger Wohlstandstreiber für den Kontinent sein könnte´. Doch geht es hier mal nicht um den Wachstumsmarkt für deutsche Konzerne und die Aufholjagd mit Chinas Vorreiterstellung auf dem Kontinent. Hier geht es um Beschränkungen und Potential für die Wirtschaft afrikanischer Staaten und ihrer Unternehmen. Eine außerordentliche Recherche – bitte lesen Sie!
Zu guter Letzt sei auf den lesenswerten Artikel auf euractiv.de verwiesen, mit dem Titel „Dringend gesucht: Investitionen in Afrikas Landwirtschaft von Benjamin Fox„. Es geht um Produktivitätssteigerung, um Wertschöpfungsketten, um Investitionen und Finanzmittel.
„Die Landwirtschaft ist der wichtigste Motor für die Transformation der afrikanischen Wirtschaft. Wir wollen diese Herausforderungen in Bezug auf Ernährungssicherheit, Landverödung, Armut und Handel lösen,“ betont Josefa Sacko, die für ländliche Wirtschaft und Landwirtschaft zuständige Kommissarin der AU, gegenüber EURACTIV.“
Thematisch gut und sorgfältig aufbereitet schließt Fox mit der Überlegung „wie Afrika dies – sei es aus eigener Kraft oder mit mehr Unterstützung durch Europa – in die Tat umsetzen kann.“