SABAB LOU WOCHENSCHAU: 11. – 17.06.2018

„Diese Woche möchte ich Ihnen drei lesenswerte Artikel empfehlen. Sie gehören zu den differenzierteren Berichterstattungen, wenngleich sie deshalb nicht per se unkritisch betrachtet werden sollten“. Die Wochenschau von Edith Lanfer. 

Euractiv.de: Ist Migration die bessere Entwicklungshilfe? Ist Migration die bessere Entwicklungshilfe?“, fragt Benjamin Schraven, vom Institut für Entwicklungspolitik in euractiv.de. Einen ´International Day of Family Remittances´, hat man ausgerufen. Warum? Um die bemerkenswerten 466 Milliarden US-Dollar an Überweisungen durch Migranten zu würdigen? Immerhin machen diese mehr als das Dreifache aller Entwicklungshilfegelder aus. Benjamin Schraven betrachtet diese Tatsache aus verschiedenen Blickwinkeln. Von der Erhöhung von Ungleichheit innerhalb einer in Armut lebenden Gesellschaft; von strukturerhaltenden Maßnahmen anstatt Aufbruch zu wirtschaftlichem Wachstum; von Wissenstransfer zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden.

Dieser sehr lesenswerte Artikel mag Sie für eine eigene Einschätzung irritieren, zu vielschichtig sind die Aspekte. Erlauben Sie mir noch eigene Betrachtungen aus unseren Projektregionen zu addieren: Ja, die Direktüberweisungen kommen wirklich bei den bedürftigen Familienmitgliedern an und versickern nicht in staatlichen Institutionen. Eine mit diesem Geldsegen bedachte Familie baut sich dann endlich ein schönes Haus, neidvoll betrachtet von der dörflichen Gemeinschaft. Am besten auch ein Familienmitglied in den reichen Norden schicken? Ja, es wird kurzfristig die Wirtschaft angekurbelt. Der Maurer verdient, Waren werden gekauft, hochwertigere Güter werden nachgefragt. Aber das Geld wird in den wenigsten Fällen produktiv eingesetzt, es wird keine Gewerbe, keine dauerhafte Produktivität aufgebaut. Das Haus ist gebaut, das Geld verbraucht, man wartet auf die nächsten Zahlungen. Die Titelfrage lässt sich in der Tat nicht so einfach beantworten.


Euractiv.de: EU-Kommission will mehr Geld für Entwicklung – und gegen MigrationEin weiterer Artikel auf euractiv.de ist ebenso lesenswert. Benjamin Fox betitelt seinen Artikel „EU-Kommission will mehr Geld für Entwicklung – und gegen Migration. Die EU-Kommission sieht mit ihrer Initiative ´Nachbarschaft und die Welt´ eine deutliche Erhöhung der migrationsbedingten Ausgaben vor. Damit betrachtet sie Migrationskontrolle offiziell als teil der Entwicklungspolitik. Vertreter von NGOs kritisieren diese Politik heftig, sie fokussiere die Migrationsbegrenzung anstatt sich ganzheitlich den SDGs, den Sustainable Development Goals zu widmen. Hier kontert ein hochrangiger EU-Kommissionsbeamter „Die Bekämpfung der eigentlichen Ursache der Migration ist eindeutig Teil der Entwicklungspolitik.“

Wir werden beobachten, in welche Regionen die erhöhten Gelder fließen werden. Jedenfalls sollen die Mittel für Länder südlich der Sahara von 26,1 Milliarden auf 32 Milliarden Euro erhöht werden. Fox greift auch die Verflechtung von Agrarsubventionen und Entwicklungshilfe auf. Ein in der EU-Haushaltsdebatte heftig kritisiertes Politikfeld mit wenig wirklicher Veränderung. Bleibt die Frage, ob die Verschiebungen in der Ausrichtung der Entwicklungspolitik eher Armut reduziert, oder Migration verhindert, oder beides, oder weder noch? Sie mögen diese Fragestellungen weiterhin verfolgen.


Gastkommentar NZZ: Nachhaltige Entwicklungshilfe – um Wachstum für alle zu sichern, braucht es einen StrukturwandelEin weiterer interessanter Artikel erschien in der NZZ. Philipp Aerni, Direktor des Zentrums für Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit (CCRS) der Universität Zürich, schreibt in seinem Gastkommentar „Nachhaltige Entwicklungshilfe – um Wachstum für alle zu sichern, braucht es einen Strukturwandel. Aernis Kernaussage:

„Im Kern geht es um das Nachhaltigkeitsziel 8: Wachstum durch Unternehmertum und die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen. Das Uno-Entwicklungsprogramm (UNDP) betrachtet dieses Ziel als zentral zur Erreichung aller anderen Ziele, denn bessere Einkommen bedeuten automatisch einen verbesserten Zugang zu Menschenrechten wie dem Recht auf Nahrung, sauberes Wasser, Behausung, Bildung, Gesundheit und Gleichstellung. Ausserdem ermöglicht das Wirtschaftswachstum mehr Steuereinnahmen und somit mehr öffentliche Investitionen in die Nachhaltigkeit.“

Diese Vorgabe nimmt der Experte zum Anlass, kritische Überlegungen dazu auszuführen. Großkonzerne, als die eigentlichen Profiteure; Zementierung von Strukturen, anstatt Aufbruch und Wandel; unbedarfte Entwicklungshilfe gleich Verhinderung inklusiven Wachstums, etc. Aerni spricht wohl zu Recht von ´Teflonpolitik´. Ein bisschen von allem, um Kritik zu umgehen. Zu wenig, um einen wirklichen Strukturwandel zu bewirken. Aber lesen Sie selbst.


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