Eine ‚interessante Allianz‘ nennt die taz die Koppelung der Haushalte für Verteidigung und Entwicklungszusammenarbeit im neuen Koalitionsvertrag. Aber es wird ja noch mehr gekoppelt.
Offenbar hält die Regierung die Entwicklungspolitik für sicherheitsrelevant. Kein Wunder also, dass sich die entwicklungspolitischen Maßnahmen von Herrn Müller vornehmlich auf die Migrationsverhinderung ausrichten. Der Bundespräsident und der Außenminister besuchen die sogenannten Migrationszentren in den ausgewiesenen afrikanischen Partnerstaaten, medienwirksam werden Ausbildungsprogramme gelobt, Perspektiven schaffen ist die vollmundige Devise. Und jetzt gibt´s dafür auch noch mehr Geld. 900 Millionen mehr!
Aber es wird ja noch mehr gekoppelt. Z. B. winkt bei vorbildlicher Rücknahme von Migranten mehr Entwicklungshilfe. Hier gilt Gambia als Musterbeispiel. Aber wenn ich mir die Ratlosigkeit der gambischen Parlamentarier anschaue, was denn mit den Rückkehrern zu machen sei, frage ich mich, wie die wirklich wirksamen Konzepte denn aussehen? Ausbilden und mit Geld versorgen klingt eher wie kurzzeitige Beschäftigungstherapie.
Ich wiederhole mich: Dabei sind noch nicht einmal die letztjährigen Pläne – Marshallplan – umgesetzt. Aber alle Pläne nützen nichts, wenn sie nicht umgesetzt werden. Und schon gar nichts, wenn sie nicht heruntergebrochen werden auf die Wirksamkeit aller Detailmaßnahmen. Dann kann man sich mit Papier bekränzen – und das Geld ist weg. Ob der neue Plan – Perspektive Heimat – umgesetzt wird?
Ich ergänze: Bis heute hat sich keine Unternehmenspartnerschaft abgezeichnet; die deutschen Unternehmen warten bis heute auf Vereinbarungen zur Risikoabsicherung; bis heute gibt es keine angepassten Pläne zur Antragstellung von privatwirtschaftlichen Kooperationen, geschweige denn Bewertungskriterien für die Mittelvergabe. Lediglich der Afrika Verein der Deutschen Wirtschaft bemüht sich um die Umsetzung unternehmerischer Projekte, aber da müssen ein Jahr nach dem ‚Afrika-Gipfel‘ erst noch Präzedenzfälle geschaffen werden. Auf die Designation von Gerd Müller als ´Ankündigungsminister´ werde ich denn noch zu sprechen kommen.
Bleiben wir bei der Erhöhung der Haushalte für das Verteidigungs- und das Entwicklungsresort. Die taz liefert dazu lesenswerte Einblicke unter dem Titel „Mitgehangen, mitgewonnen“. Mehr Entwicklung heißt mehr Militär und umgekehrt. Ein segensreiches Bündnis? Die Rechtfertigung seitens Gerd Müller:
„Die internationalen Krisen nehmen zu, in denen die Bundeswehr und wir gefordert sind“, begründete Entwicklungsminister Müller das problematische Junktim.
Hauptsache mehr Geld. Oder wie sehen Sie das?
Kommen wir zum Ankündigungsminister. Die Südwestpresse hält einen empfehlenswerten Bericht über Entwicklungsminister Müller bereit „Gerd Müller: der Minister des guten Willens“. André Bochow gibt ein aufschlussreiches Portrait des Ministers. Auch hier der Hinweis auf die Koppelung mit dem Verteidigungshaushalt. Sein Fazit:
„Irgendwo im Text ist die Rede von „Bekämpfung der Fluchtursachen“. Wie das gehen soll, ist einem der vielen Programme und Pläne zu entnehmen, die der Minister nicht müde wird, aus dem Hut zu zaubern. Etwa den „Marshallplan mit Afrika“. Das Problem ist: Von den Plänen ist bisher kaum etwas umgesetzt worden.“
Von chaotischer Arbeitsweise und permanentem in-Szene-setzen ist die Rede. Auch von Empathie und Einsatz. Aber gut gemeint ist eben nicht gut genug. Ich warte. Sie auch?
Hervorheben möchte ich unbedingt den Artikel in der Märkischen Onlinezeitung moz.de mit dem Titel „Die alten Fehler fortgesetzt“. André Bochow spricht mit dem Experten und Autor Kurt Gerhardt. Gerhardt, der bereits 2008 mit dem Bonner Aufruf die Deutsche Entwicklungspolitik immer wieder in Frage gestellt hat, kritisiert die unveränderte und selbstgerechte Ansicht, dass WIR entwickeln.
“Wir müssen die Idee aufgeben, andere entwickeln zu können. Das gilt vor allem für Afrika. Jahrzehntelang wurden Milliarden in die Länder dieses Kontinents gepumpt. Und was ist das Ergebnis? Zum Beispiel wird bis heute in den meisten Ländern Subsahara-Afrikas nichts hergestellt, das man auf dem Weltmarkt verkaufen könnte. Korrupte Regime füllen sich die Taschen, indem sie sich an der Rohstoffausbeutung bereichern. Gesundheitssysteme funktionieren weit überwiegend nicht. Bildung auch nicht.“
Auf die Frage, wie Gerhardt die Ausrichtung der Entwicklungshilfe auf Fluchtursachenbekämpfung sieht, erhalten wir eine ernüchternde, aber m. E. wahre Antwort:
„Damit werden die Bürger hierzulande für dumm verkauft. Wer behauptet, durch die Aufstockung der Entwicklungshilfe würden junge Leute in Afrika davon abgehalten, nach Europa zu gehen, redet Unsinn.“
Gerhardt favorisiert genau das, was gerade wieder in der Versenkung verschwunden ist: Unternehmertum fördern, Wertschöpfungsketten in afrikanischen Staaten aufbauen, Produktion aufbauen. Der eindringliche Hinweis von Kurt Gerhardt: „Wir müssen viel strenger darüber nachdenken, das Richtige zu tun.“ Bitte lesen Sie selbst.
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