Die Perspektivlosigkeit für junge Gambier ist immanent. Hilfsorganisationen drängen in das Land und ich befürchte, dass dies kein gutes Ende haben wird. Lesen Sie ein paar kritische Stimmen.
Ich bin zurück aus Gambia – und sehr nachdenklich. Nachdenklich, weil ich aufmerksam verfolgt habe wie immanent die Perspektivlosigkeit für junge Gambier ist, wie hilflos das gambische Parlament über die Reintegration von über 1500 zurückgeführten Migranten debattiert, und wie bilaterale Unterstützung der Länder des globalen Nordens meines Erachtens zu kurz greift. Hilfsorganisationen drängen in dieses bitterarme Land und ich befürchte, dass ein zweites Haiti entstehen könnte: dort haben NGOs, bzw. deren finanziell gut ausgestattete Experten, die Preispolitik des Landes verstellt. Sie haben Ausbildungspläne aufgelegt, die aber nicht zwingend Jobs und Einkommensmöglichkeiten bedeuteten. Sie haben die reichlichen Spenden verteilt, an denen sich die Elite bereichert hat, etc. Und in Gambia?
Auch hier versprechen Ausbildungspläne Perspektiven für die Jugend, doch es mangelt an Jobs; die Rückkehrer werden mit Geld ausgestattet, die das Geld aber gesichtswahrend eher an die enttäuschte Familie verteilen, als es unternehmerisch einzusetzen. Es herrscht große Ratlosigkeit.
Wenn die gambische Regierung nicht bald Erfolge vorweist, kann von Frust-Entladung bis zu erneuter Migrationswelle alles passieren. Und von einer Priorisierung der Landwirtschaft kann noch keine Rede sein – es gibt keine durchdachten Konzepte, die Arbeit und Ausbildung verknüpfen, Eigeninitiative fördern und unterstützende Begleitung zusichern. Ein Marshallplan reicht nicht aus.
Einer, der sich mit genau all diesen kritischen Punkten der vergangenen und gegenwärtigen Entwicklungszusammenarbeit auseinandersetzt ist Jean Feyder. Als ehemaliger Vertreter Luxemburgs bei der WHO (Welthandelsorganisation), kritisiert er vehement den Welthandel, der die Starken fördert und Schwachen unterdrückt. Bodo Morshäuser zeichnet im Deutschlandfunk Kultur ein sehr beeindruckendes und lesenswertes Portrait des Experten. Unter dem Titel „Eine scharfe Kritik am Welthandel„, eröffnet Feyder ein skurriles Szenario:
„Arme Staaten müssen ihre Märkte für internationale Produzenten freigeben – andernfalls drohen die Welthandelsorganisation WTO und auch die EU mit Handelsbeschränkungen. Die schwächsten Ökonomien sollen ihre Zölle senken und sich ins Globalisierungsgeschäft eingliedern.“
„Die Entwicklungsländer wiederum werden dazu gebracht, Produkte, vor allem Agrarrohstoffe, für den Export zu fördern. Gleichzeitig wird die einheimische Nahrungsmittelproduktion vernachlässigt und muss mit Importen ausgeglichen werden. Das führt zu Handelsdefiziten und erhöhten Schulden und schließlich zur Ausbreitung von Armut und Hunger.“
Feyder lässt es aber nicht nur bei der altbekannten Kritik. Er zeigt die Irrwege der auf dem G-20-Gipfel verabredeten Programme und Ziele auf:
„Es geht um die Finanzierung großer Infrastrukturprojekte durch die Bereitstellung von Privatkapital und die Absicherung interessanter Renditen. Jeder afrikanische Staat muss sich dazu verpflichten, die Reformen durchzuführen, die es den Privatunternehmen erlauben, die vorgesehenen Investitionen zu tätigen. Der Staat stellt sich in den Dienst der Privatwirtschaft. Öffentliche Ressourcen werden benutzt, um Privatinteressen zu fördern. Die Entwicklung der afrikanischen Industrie und der Landwirtschaft stehen dagegen nicht im Fokus.“
Ich möchte Sie dringend einladen sich diesem hochinteressanten Artikel zu widmen.
Ein weiterer empfehlenswerter Artikel aus dem Deutschlandfunk Kultur kommt von Linda Staude. Ihr provokanter Ansatz: Teure Almosen für Afrika. Seit den 50er und 60er Jahren sind rund zwei Billionen Dollar Entwicklungshilfe auf den afrikanischen Kontinent geflossen. Ohne nennenswerten Erfolg. Der fast irreparable Schaden: Eigeninitiative ist erloschen, Hilfslieferungen subventionieren schlechte Politik, Probleme werden durch Millionengeschenke noch verschärft, findet Staude. Aber Handel und Zusammenarbeit sollen jetzt den Hilfsfokus verändern. Was China bereits seit Jahrzehnten vormacht, findet nun Einzug in eine neue Entwicklungszusammenarbeit, vorgeblich in nachhaltigerer Weise als China. Und dennoch, auch diese Entwicklungspolitik ist nicht uneigennützig. Der kenianische Wirtschaftsexperte James Shikwati beschreibt es unverblümt:
„Das ganze Konzept der Entwicklungshilfe ist problematisch, denn es bringt Geschäft und Hilfe durcheinander. Die entwickelten Länder sagen Hilfe, wenn sie über Geld reden, mit dem sie ihre eigenen Interessen in Afrika verfolgen.“
Ein Beitrag, der sich in Gänze zu lesen lohnt.
„Egoistische Helfer“, ist ein ebenso anprangernder wie mahnender Titel des Cicero Magazins. Der Forschungsexperte für Entwicklungsökonomie Dr. Tobias Volpert, Und Marcel Riepe eröffnen interessante Gedankengänge zur deutschen Entwicklungshilfe. Sie resümieren lobend die Umstrukturierung des Ministeriums, und tadelnd die Kleinteiligkeit von Entwicklungshilfe-Programmen. Dabei sollte man meinen, dass 17.000 Mitarbeiter des BMZ durchdachte und nachhaltige Maßnahmen entwerfen könnten. Meines Erachtens scheitern die Programme nicht an Kleinteiligkeit, sondern an mangelndem ganzheitlichen Ansatz, an inkonsequenter Implementierung und an ineffizienter Wirkungsmessung. Hier ein bisschen Bildung, da ein bisschen Privat-Investition, da ein wenig Migrationsverhinderung ist noch kein durchschlagender Entwurf. Ein gewisser Egoismus sei eben nicht von der Hand zu weisen, meinen die Experten Volpert und Riepe:
„Wissenschaftler des Kieler Instituts für Weltwirtschaft weisen in einer Untersuchung darauf hin, dass deutsche Entwicklungshilfe schwerpunktmäßig in solche Länder fließt, die in der UN-Generalversammlung eher wie Deutschland abstimmen. Auch enge Handelspartner Deutschlands erhalten in der Regel überdurchschnittlich viel Unterstützung. Ganz offensichtlich werden Empfängerländer nicht allein anhand einer objektiven Beurteilung der Bedarfssituation vor Ort ausgewählt. Vielmehr spielen auch geostrategischen Motive der deutschen Außenpolitik eine wichtige Rolle.“ „Auch wenn der „Big Push“ im Empfängerland ausbleibt, Entwicklungshilfe kurbelt damit immerhin die deutsche Wirtschaft an und schafft hierzulande Arbeitsplätze. In den Leitlinien des BMZ sind solche Ziele allerdings nicht verankert.“
Aber lesen Sie doch selbst.
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