Verfehlte Entwicklungshilfe und was wir anders machen

In der aktuellen Spiegel+ Reportage berichtet Bartholomäus Grill u. a. über die Ruinen verfehlter Entwicklungshilfe. Wir arbeiten anders mit Sabab Lou. Diese Fehlentwicklungen kann man vermeiden.

Der renommierte SPIEGEL-Korrespondent und Autor Bartholomäus Grill schreibt in seiner Reportage aus Gambia „Warum unsere Entwicklungshilfe Irrsinn ist“ über die erschreckende Perspektivlosigkeit für Jugendliche in Gambia und die Frage, ob mehr sogenannte ‚Entwicklungshilfe‘ die Migration eindämmen kann. Im Februar besuchte er für seine Recherche unser Baddibu-Projekt in der North Bank Region, dem Distrikt mit der höchsten Abwanderungsrate. Neben dem brennenden Thema Migration berichtet er aber vor allem von den Hinterlassenschaften einer verfehlter Entwicklungspolitik, er nennt sie ‚weiße Elefanten‘. Diesen traurigen Relikten deutscher, aber auch internationaler Entwicklungshilfe – verrottete Brunnen, kaputte Viehwaagen, aber auch ganze, dem Verfall preisgegebene Fischverarbeitungshallen – begegnen wir in unseren Projektregionen, dem südlichen Senegal und nördlichen Gambia auf Schritt und Tritt. Die weißen Elefanten künden nicht nur von nutz- und sinnlos ausgegebenen Entwicklungsgeldern. Sie sind auch Mahnmale einer Entwicklungshilfe, die von entmündigender Selbstgerechtigkeit und verblendeter Implementierungswut gekennzeichnet ist. Dabei hat man versäumt, selbstverantwortliche Strukturen aufzubauen. Aber genau darum geht es ja im wesentlichen.

Den gesamten Artikel gibt es hier als PDF zu lesen. 

Screenshot der Spiegel Plus Reportage "Warum unsere Entwicklungshilfe Irrsinn ist" von Bartholomäus Grill

Was wir anders machen

Auch wir geben Geld, tätigen Investitionen, fördern unternehmerische Projekte. Geld geben, sich bekränzen lassen, ist der einfache Teil. Der schwierige Teil beginnt, wenn wir den Menschen die Entscheidungen und die Verantwortung nicht mehr abnehmen.

Wir wollen, dass die Menschen ihr Projekt selbst steuern und die Verantwortung übernehmen. Deswegen binden wir die Projektpartner von Anfang an in die Entscheidungsprozesse mit ein. Wir besprechen gemeinsam Investitionen, Strukturen und Maßnahmen; wir sprechen über Ausgaben und Einnahmen und planvolle Rücklagen. Wir fragen ihre Vorstellungen ab, loten gegenseitig unsere Sichtweisen und Einschätzungen aus.

Wirtschaftlichkeit

Die wirtschaftliche Tragfähigkeit eines Projekts muss immer gewährleistet sein, ist sozusagen Grundvoraussetzung. Es macht keinen Sinn, überdimensionierte Infrastruktur-Maßnahmen zu vereinbaren, deren Refinanzierung nicht sichergestellt werden kann. Klar, gibt es Beispiele in der industriellen Landwirtschaft die weniger Mühsal bedeuten. Ein höherer Grad an Mechanisierung oder Automatisierung erfordert aber auch eine höhere Rücklagenbildung. Das ist die andere Seite der Medaille. Also gehen wir in kleinen Schritten vorwärts. Wenn die Menschen in unseren Projekten sich später entscheiden, mehr Rücklagen für weitere Anlageinvestitionen zu bilden, freuen wir uns über diese eigenständige Entscheidung. Im besten Fall haben sie die Berechnung der Wirtschaftlichkeit mit uns gelernt.

Verantwortung übernehmen

Der Weg in die Eigenverantwortlichkeit ist ein langer Weg mit vielen Stolpersteinen und auch Rückschlägen. Es läuft nicht immer alles glatt. In Wirklichkeit läuft es oft anders, als wir es uns vorstellen und wünschen. Beispielsweise bauten die Frauen mit beeindruckender Schaffenskraft Tomaten und Zwiebeln an, sie wollten sich endlich etwas leisten können. Doch die Tomatenschwemme verursachte einen Preisverfall; ebenso scheiterten sie mit ihren Zwiebeln angesichts von zu Dumpingpreisen angebotenen EU-Agrarimporten.

Wir machen in solchen Fällen nur Vorschläge. Aber die Frauen treffen dann ihre eigene Entscheidung. Beispielsweise stellten sie in diesem Fall ihren Anbauplan auf den gestaffelten Anbau und Diversifizierung um und erzielen damit nun bessere Preise. Verantwortung übernehmen bedeutet eigene Entscheidungen treffen und dafür einstehen. Wer das schafft, schafft auch Zukunft.

Alles braucht seine Zeit

Um den Weg in die Eigenständigkeit zu schaffen, mussten wir lernen den Projektteilnehmerinnen und Projektteilnehmern Zeit zu lassen. Zeit zu lassen, alle Komponenten der Einkommenssicherung und der Fortführung ihres Projekts zu verstehen und zu steuern. Wenn wir bei jedem Rückschlag eingreifen, versäumen die Menschen ihr eigenes Potential zu entdecken. Wir begleiten sie, bis sie ihr Projekt vollverantwortlich weiterführen können. Erst wenn sie Entscheidungsträger geworden sind, hat ein Projekt Bestand. Erst wenn wir diesen Punkt erreicht haben, verabschieden wir uns aus dem Projekt. 

Und das ohne weiße Elefanten zu hinterlassen.

 

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