„Eine moderne, nachhaltige und ertragreiche Landwirtschaft kann jungen Menschen eine Bleibeperspektive in Afrika geben.“, so Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Der Frage nach subventionierten EU-Agrarexporten weicht sie aus.
Dieses Interview hat mich fassungslos gemacht. Vielmals und vielerorts ist die subventionierte EU-Agrarpolitik ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, das ist auch an der Agrarministerin nicht vorbeigegangen. Aber ihre Aussage, dass mit der asymmetrischen Ausrichtung der EPA’s doch dem Schutz afrikanischer Binnenmärkte genüge getan sei, finde ich empörend.
Hintergrund: in den European Partnership Agreements, welche die Handelsbeziehung zwischen Europa und afrikanischen Staaten regelt, ist ein zollfreier Warenaustausch vereinbart. Asymmetrisch, weil afrikanische Länder sogenannte Schutzzölle auf z. B. Milch- oder Agrarprodukte zum Schutz der Binnenwirtschaft erheben können.
Heißt doch: wenn die es nicht machen – selbst schuld. Heißt auch: ich drücke die Länder unseres Nachbarkontinents, wie es so schön heißt, an die Wand, bis es quietscht. Globale Marktwirtschaft eben. Dass Länder, die auf internationale Unterstützung angewiesen sind, sich nicht unbedingt mit einer Importsperre in Verhandlungen begeben wollen, ist nachvollziehbar. Und Schutzzölle wiegen zudem das Preisgefälle bei weitem nicht auf.
Fakt ist: man will einfach nicht ran an dieses Thema. Die Agrarsubventionen bleiben. Punkt.
Hier möchte ich einen Gedankengang zur Überlegung einbringen. So wie es ein Gesetz gibt, das den Export von Waffen in bestimmte Länder verbietet, könnte ein Gesetz den Export von bestimmten Agrargütern in arme Staaten unterbinden. Man könnte eine solche Regelung z. B. an das BIP eines Landes knüpfen. Ob an das Brutto-Inlands-Produkt eines Landes geknüpft, ob an das Pro-Kopf-Einkommen geknüpft, ob an eine kaufkraftbereinigte Quote geknüpft, mag verhandelbar sein. Globale Verantwortung eben. Was meinen Sie?
Doch nun zur medialen Zusammenfassung der Wochenschau KW44.
Auf dem G20-Investment-Summit vergangene Woche in Berlin kamen 11 Staatschefs aus Afrika und Vertreter der deutschen Industrie zusammen, um dem Compact With Africa, CwA, Leben einzuhauchen. Das milliardenschwere Investitionsprogramm soll zum Prestigeprojekt der G20-Präsidentschaft werden. Und vielleicht auch die heftiger werdende Kritik an der klassischen Entwicklungshilfe ablösen? Hier die wichtigsten „Summit-Artikel“.
Natürlich beginne ich mit dem Klöckner-Interview in der Hannoverschen Zeitung „Julia Klöckner – Landwirtschaft in Afrika: Einfach nur Geld hinschicken – das hilft nicht“. Und das sagt die Ministerin: „Und als Ministerin sage ich Ihnen: Zwei Drittel der Bevölkerung Afrikas sind Landwirte. Landwirtschaft ist damit ein entscheidender Schlüssel für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Eine moderne, nachhaltige und vor allem ertragreiche Landwirtschaft kann wesentlich zur Senkung der Arbeitslosigkeit beitragen, gerade den vielen jungen Menschen eine Bleibeperspektive geben. In einen größeren Rahmen gesetzt ist sie ganz konkrete Fluchtursachenbekämpfung.“ Man möchte meinen, die Ministerin hat verstanden wie bedeutsam der Aufbau der Landwirtschaft in armen Staaten ist. Um dann im Interview dem Thema EU-Agrarsubventionen auszuweichen.
Und als Entwicklungshelferin sage ich Ihnen: Ihre Bagatellisierung dieses Themas, Frau Klöckner, ist respektlos, geringschätzend und demütigend! Wie ist Ihre Einschätzung dazu, liebe Leserinnen und Leser?
Explizit zum Summit möchte ich Ihnen den lesenswerten Beitrag in der Frankfurter Rundschau empfehlen „Afrika – Zivilgesellschaft bleibt außen vor. Exklusiver Club: Elf Staatschefs und die deutsche Industrie verhandeln über Afrikas Entwicklung“ von Tobias Schwab. Schwab führt uns mit kritischer Beleuchtung durch die politischen Stimmen abseits des exklusiven Clubs mit dessen Verhandlungen und Vereinbarungen, dessen Herausforderungen und Zielen. Schwab nährt damit die Frage, worum es uns eigentlich geht, um unsere Wirtschaft oder um die afrikanische Wirtschaft. Sie mögen sich selbst ein Bild machen.
Empfehlen möchte ich Ihnen den Beitrag im Tagesspiegel „G20 Investment Summit – Wie Investoren Afrika helfen wollen“ von Kevin P. Hoffmann. Hoffmann betont rechtens, dass es nicht um Entwicklungshilfe und Nothilfe geht, sondern um die Einbindung der Privatwirtschaft beim Aufbau des Kontinents. Ein Kapitel, welches China seit zwei Jahrzehnten verfolgt. Die Aufholjagd beginnt. Ein, meiner Meinung nach wichtiges Unterkapitel „Wichtiger wäre, dass Afrika selbst Unternehmer hervorbringt“, beschreibt auch andere Investitionen, Investitionen in die Gründerszene Afrikas und eben einen eigenständigen unternehmerischen Aufbau in afrikanischen Staaten. Ein etwas anderer Ansatz. Interessant.
Weiterhin möchte ich Ihnen einen überaus faktischen Bericht zum Summit empfehlen. „Eine Milliarde mehr für den Aufbau in Afrika“, so der Titel in der Welt. Eine lesenswerte kurze Zusammenfassung des Gipfels.
Und dann wäre da noch eine afrikanische Sichtweise. Lesen Sie das aufschlussreiche Interview mit dem senegalesischen Präsidenten Macky Sall „Wir brauchen keine Lektion in Demokratie“ auf dw.de. Im Interview mit der Deutschen Welle werden Erwartungen, Einschätzungen und Ziele des senegalesischen Präsidenten deutlich. Deutlich aber auch die Empörung über die persistente europäische Mahnung zu Rechtsstaatlichkeit. Diese Form der paternalistischen Bevormundung weist Macky Sall strikt von sich.
Ehrlich. Beherzt. Eine afrikanische Sicht. Lesenswert.