Nicht, dass es nicht genügend interessante Artikel gäbe, aber sie beinhalten mehr oder weniger die immer gleichen Debatten um die unglückliche Verzahnung von Entwicklungshilfe und Flüchtlingspolitik…
…oder die kontroversen Diskussionen über die Nicht-Wirkung klassischer Entwicklungshilfe und den viel propagierten neuen privatwirtschaftlichen Ansätzen der Entwicklungspolitik.
Lassen Sie mich Ihnen die, wie ich finde, herausragenden Artikel vorstellen.
Lesen Sie den wirklich exzellenten Beitrag der Afrika-Korrespondenten der FAZ Thilo Thielke und Philip Plickert auf faz.net mit dem Titel „Afrika helfen – mit weniger Entwicklungshilfe“. Am Beispiel Sambia zeigen Sie die Anfälligkeit für Korruption in der Entwicklungspolitik auf – wie wenn zum Beispiel zwischen 2016 und 2018 97,5 Millionen Euro an die ´Kleptokraten in Lusaka´ fließen, wohingegen die Geberländer Großbritannien und die USA ihre Hilfen einstellen.
Ihre kritische Aufrechnung mit der klassischen Entwicklungshilfe unterlegen sie mit dem provokanten Zitat des amerikanisch-nigerianische Schriftstellers Teju Cole: „Der weiße Retter duldet morgens brutale Politik, gründet nachmittags eine Hilfsorganisation und bekommt abends dafür eine Auszeichnung.“ Plickert und Thielke belassen es aber nicht bei kritischen Äußerungen, sie beleuchten Auswirkungen und problematische Nebeneffekte von Entwicklungshilfe in vielfältiger Hinsicht – ehrlich, aufrüttelnd und konsequent.
Bitte lesen Sie diesen wichtigen Bericht.
Eine lesenswerte sachliche Analyse der migrationspolitischen Debatte finden Sie auch im IPG Journal für Internationale Politik und Gesellschaft. Die Autorinnen Loren B. Landau, Caroline Wanjiku Kihato und Hannah Postel eruieren „Wie Hilfe Migration begünstigt“ und benennen dafür zwei wesentliche Faktoren: zum einen die demografische Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent, zum anderen die kurzsichtige, an Fluchtursachenbekämpfung ausgerichtete, Entwicklungshilfe. Weder ist mit einem kometenhaften Anstieg des Wirtschaftswachstums in Ländern mit geringen Einkommen zu rechnen, noch mit entwicklungspolitischen Erfolgen zweifelhafter Kooperationspartnerschaften mit autokratischen Regimen.
„Die EU-Staatschefs sollten sich unterdessen genau überlegen, was sie eigentlich wollen. Nachhaltige Hilfen können schwache Staaten südlich der Sahara auf den Weg zu Stabilität und einer besseren Entwicklung bringen. Trotzdem werden diese Eingriffe die Migration in absehbarer Zukunft zunächst nicht eindämmen, sondern verstärken. Wenn die EU mit unverantwortlichen autoritären Regierungen mit miserabler Menschenrechtsbilanz kooperiert, riskiert sie die Zunahme politischer Spannungen südlich des Mittelmeers und zerstört letztendlich jeden Fortschritt, den ihre Hilfsprojekte bewirken könnten“, meinen die Autorinnen.
Sie plädieren entschieden für rechtliche und humanitäre Kanäle für die afrikanische Migration.
Anders als die beiden oben genannten Beiträge, befasst sich die aufschlussreiche Berichterstattung von Beatriz Rios in euractiv.de mit dem Titel „Dezentralisierung und lokale Kooperation als Herzstück der EU-Entwicklungspolitik“ mit der Zielvorgabe von 0,7% des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe. Das Interview, dass Frau Rios mit dem EU-Kommissar für europäische Entwicklungszusammenarbeit, Neven Mimica, führt, verweist auf die Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen der EU für die Erreichung der Sustainable Development Goals. Auch wenn sich Mimica dahingehend äußert, dass der privatwirtschaftliche Sektor gestärkt werden solle, so wird dennoch nur auf eine Erhöhung des Entwicklungshaushalts gesetzt. Es ist eben keine kritische Auseinandersetzung mit einer verfehlten Wirkung von Entwicklungshilfe. Es ist eine dezidierte Ausführung zu den geplanten Maßnahmen der EU Entwicklungspolitik, und von daher allemal informativ.
Im folgend erwähnten Artikel „Firmen gegen Flucht: Der Afrika-Plan des Entwicklungsministers“, wird auf den erhofften privatwirtschaftlichen Anteil in der Entwicklungshilfe gesetzt – allerdings mehr im Sinne von Fluchtursachenbekämpfung. Gabriel Pankow berichtet im Portal production.de über die Kooperation des Entwicklungsministeriums und der deutschen Wirtschaft in Tunesien. Als Win-win-Situation wird sie propagiert.
„Die deutsche Wirtschaft und die Entwicklungspolitik sollen sich an der sogenannten Fluchtursachenbekämpfung in Afrika beteiligen. Mit Ausbildungskooperationen und millionenschweren Programmen wollen Bundesinnen- und Entwicklungsministerium die Zukunftschancen junger Menschen in deren Heimat verbessern – oder sie zur freiwilligen Rückkehr bewegen, wenn sie in Deutschland keine Aussicht auf einen Aufenthalt haben.“
Ein propagandistischer Anzug für privatwirtschaftliche Fluchtursachenbekämpfung? Pankow bezieht sich auf verschiedene Experten, die den Einfluss der deutschen Wirtschaft und der Entwicklungszusammenarbeit auf die Migration ohnehin für sehr gering halten. À dieweil die Verquickung von Entwicklungshilfe und Migrationspolitik nicht effektiv sein kann. Sie mögen sich selbst ein Bild machen.
Und erlauben Sie mir hier noch den Hinweis auf eine beherzte Wutrede zur Bayernwahl von Bartholomäus Grill im Spiegel. Eine Anklage der deutschen Migrationspolitik, die Grill mit einer ´Schädlingsbekämpfung´ vergleicht. Ich finde Grills Furor nicht nur aufrüttelnd, sondern angemessen. Bitte lesen Sie diesen Brandbrief!