Die Projekte in Ghana
9. April 2013: Abflug 14:10 von Frankfurt Richtung Accra. Ich treffe Frieder am Gate. Der Flug ist angenehm. Am Flughafen von Accra treffen wir Cosmas und Krasimir. Cosmas kommt aus Chereponi und studiert zur Zeit in Bayreuth. Er ist Frieders Kontaktmann zum Anoshe Women-Projekt in Chereponi. Sein Bruder Nicolas ist der Projektleiter vor Ort.
Krasimir ist Bulgare und einer von vier Studenten der Universität Hohenheim, die das Projekt wissenschaftlich unterstützen sollen. Er soll sich die Bodenverhältnisse anschauen und überlegen, wie der Boden möglichst optimal genutzt werden kann, ohne daß die Bodenqualität langfristig leidet.
Vom Flughafen fahren wir durch das Regierungsviertel zum Hotel Afia Beach. Es ist einfach aber schön am Strand gelegen. Wir beschliessen den Tag mit einem gemeinsamen Dinner: gegrillter Grouper mit Reis und Gemüse, lecker aber auch teuer, umgerechnet € 18 pro Nase.
10. April: Am nächsten Morgen stösst Felicity zu uns. Sie kommt aus Ghana und gehört zum Team aus Hohenheim. Ihr Fokus liegt mehr auf der agrarökonomischen Seite. Nach dem Frühstück geht es los. Eine sehr lange Fahrt nach Tamale, nach Norden liegt vor uns. Wir werden wohl den ganzen Tag brauchen, aber dadurch einen guten Nord-/Südquerschnitt von Ghana zu sehen bekommen.
Die Strassen sind in recht gutem Zustand und es finden regelmässige, aber harmlose Polizeikontrollen statt. Das Landschaftsbild ist geprägt von hügeligem, landwirtschaftlich genutztem Tropenwald. Alle paar Kilometer kommt man durch ein Dorf oder eine grössere Ansiedlung, für die die Strasse in aller Regel der Mittelpunkt ist. Positiv stimmt, dass es überall Schulen gibt und jede Schule und jedes Dorf natürlich einen Fussballplatz hat. In Kumasi, der Hauptstadt der Ashanti-Region, machen wir Mittagspause und essen in einem sehr ordentlichen Restaurant (Jofel), das allerdings auch seinen Preis hat. 30-40 km nach Kumasi, in Offinso, machen wir einen kurzen Stop bei Kwame, dem Projektleiter des So Memu-Projekts. Wir werden ihn in ein paar Tagen wiedersehen. Nach zwölf Stunden Fahrt kommen wir gegen 21:00 in Tamale an. Es ist bereits dunkel, sodaß wir nicht mehr viel sehen können.
Insgesamt macht Ghana auf mich einen sehr positiven Eindruck. Die Menschen sind freundlich und offen und die Infrastruktur ist für afrikanische Verhältnisse gut. Elektrizität und Telekommunikation ist entlang der Strasse überall verfügbar und Wasser ist nicht knapp. Auch die politischen Verhältnisse sind ziemlich stabil, sodass einer gedeihlichen Entwicklung eigentlich nichts im Wege stehen sollte. Allerdings gibt es ein deutliches Nord-/Südgefälle und in den äussersten Norden, nach Chereponi, da wollen wir hin.
Da wir alle von der Fahrt recht erschöpft sind, gehen wir nach einer Runde Bier ins Bett. Die Zimmer des Guest Houses sind einfach gehalten aber sauber und es funktioniert alles.
11. April: Wir treffen uns um 7:00 zur Abfahrt für die letzte Etappe von rund vier Stunden nach Chereponi. Das Landschaftsbild hat sich stark verändert, es herrscht jetzt flache Savanne mit Büschen und vereinzelten Bäumen. Es wird trockener, je weiter wir nach Nordwesten kommen.
In Yendi machen wir Frühstückspause beim Erzbischof und treffen dort auch eine deutsche „MaZlerin“ (Missionarin auf Zeit), Maria. Der Erzbischof ist ein freundlicher Mann und was er sagt, klingt vernünftig, mehr kann man wohl nach einer halben Stunde Konversation nicht sagen. Maria studiert Theologie und ist für zehn Monate nach Ghana gekommen. Sie unterstützt einen Priester und engagiert sich den größten Teil ihrer Zeit an einer Schule. Eine interssante junge Frau mit Herz und Engagement.
Wenn man neu in einen Distrikt kommt wie wir, sollte man tunlichst zunächst beim District Chief vorstellig werden. In Ghana existieren die neuen und alten Strukturen noch in einem informellen Nebeneinander und ergänzen sich. Die Chiefs repräsentieren das alte System und unser Chief ist ein alter aber freundlich wirkender Mann, der wirklich mit allem ihm zur Verfügung stehenden Prunk Hof hält, dies aber durchaus würdevoll und der Situation angemessen. Es bietet sich an, Geschenke mitzubringen und bei unserem Chief hat Cosmas für eine Flasche Vodka und Kolanüsse gesorgt, die lokale Cocoa-ähnliche (Aufputsch-)Droge. In dieser Sache ist die Welt doch überall gleich. Die Begrüssung durch den Chief ist im übrigen überaus freundlich. Frieder (und Edith) und das Anoshe Women-Projekt sind mittlerweile bekannt, geniessen einen guten Ruf und die Menschen sind wirklich dankbar für die Unterstützung und vor allem dafür, daß beide immer wieder den Weg nach Chereponi finden.
Gegen Mittag erreichen wir Chereponi und das Elternhaus von Cosmas. Es ist ein großer und sehr aufgeräumter Hof, Cosmas Mutter hat in dieser Beziehung „deutsche“ Qualitäten. Es ist ein großes Hallo, Cosmas war über ein Jahr nicht mehr zu Hause. Seine Familie bzw. Clan ist überaus gastfreundlich und tut alles, um den Aufenthalt für uns so angenehm wie möglich zu gestalten.
Nach dem Begrüssungstrubel eine erste Arbeitssitzung. Frieder, Cosmas, Nicolas und die beiden Studenten sprechen die Planung für die kommenden zwei Tage und das Vorgehen bei den Besuchen in den fünf Communities durch. Bei letzterem ist das Kernthema, den Frauen deutlich zu machen, daß ein größerer Teil der Ernte als bisher zur Reservenbildung für Krisen, Investitionen und Wachstum einbehalten werden muß. Die Diskussion zu dem Thema ist intensiv, vom Grundsatz her ist die Notwendigkeit einer größeren Reservenbildung akzeptiert, die Frage ist vielmehr, wieviel genau und vor allem auf welche Weise. Die Diskussion zeigt, daß mehr Arbeit im Detail erforderlich ist, um zu klaren Ergebnissen zu kommen und daß man sich deshalb bei den Gesprächen in den Communities darauf konzentrieren sollte, allein die Notwendigkeit der erhöhten Reservenbildung zu erläutern.
Die erste Community ist Nansoni, eine der größeren von den fünf. Wir treffen dort den Agent Ako, der das Projekt bzw. die Frauen vor Ort betreut und an Nicolas berichtet. Auch hier suchen wir der guten Ordnung halber zunächst den Community Chief und die sonstigen lokalen Honoratioren auf, die uns sehr freundlich begrüssen und ihrer Zufriedenheit mit dem Projekt überzeugend Ausdruck verleihen. Danach treffen wir die Frauen. Sie tanzen Bambati, einen traditionellen Tanz ähnlich dem Pogo, nur daß sich die Frauen mit den Hinterteilen treffen bzw. stoßen, eine ziemlich intensive Angelegenheit.
Danach beginnt der „offizielle“ Teil. Nicolas ist der Moderator, Ako der Übersetzer und Cosmas ergänzt von Zeit zu Zeit. Es beginnt mit einem gemeinsamen Gebet, Nansoni ist muslimisch. Danach eine Begrüssungsrede der Sprecherin der Frauen. Alles sehr würdevoll. Schließlich der Hauptteil mit der Rede von Frieder und den ergänzenden Ausführungen von Cosmas und Nicolas. Die Frauen hören sehr aufmerksam zu. Ich habe den Eindruck, daß sie das Thema Reservenbildung sehr wohl verstehen. Die anschließenden Wortmeldungen der Frauen sind engagiert. Aus ihrer Sicht liegt das Problem eher bei den niedrigen Ernteerträgen, wären diese höher, würde es leichter fallen, höhere Reserven zu bilden. Auch würden sie gern mehr Flexibilität bei der Anbauentscheidung haben und die in der Dry Season gewährten Mikrokredite würden sie im übrigen gerne von 50 auf 100 Cedi erhöht wissen.
Die Stimmung ist sehr ernsthaft und konstruktiv und voller Stolz und Dank für das Erreichte. Man einigt sich, diese Dinge mit Unterstützung der Studenten intensiv zu durchleuchten, um eine für alle Beteiligten sinnvolle Vorgehensweise zu finden. Wahrscheinlich liegt die Lösung wie immer in der Mitte, in einer Art Langfristplanung, die über jährliche Produktivitätssteigerungen es den Frauen sukzessive ermöglicht, höhere Reserven zu bilden. Die Bereitschaft dazu ist auf jeden Fall da, sofern die Erträge es hergeben.
Zum Schluß verliest Nicolas den geschriebenen Gruß von Edith. Überhaupt wird Edith bei jeder Gelegenheit vermisst, sie hat mit Frieder einen starken und bleibenden Eindruck hinterlassen. Eine vierköpfige Delegation der Frauen kommt nach vorne. Sie wollen Frieder (und Edith) ihren Dank aussprechen und ein Geschenk machen: eine Schüssel Eier von den Frauen von Nansoni, zwei Hemden für Frieder und mich, weil ich halt gerade da bin, sowie ein Kleid für Edith von allen Frauen des Anoshe Women-Projekts, eine tolle Geste. Wir sind wirklich beeindruckt. Eine Frau sagt, daß sich die Frauen von Nansoni seit Beginn des Projekts wieder wesentlich besser mit ihren Männern verstehen. All das steht sinnbildlich für die grosse Zufriedenheit und den tiefen Dank, den die Frauen mit dem Projekt verbinden und der atmosphärisch zu jedem Zeitpunkt intensiv zu spüren ist.
Zurück bei Cosmas Eltern gibt es eine kleine Körperwäsche, ein kaltes Bier und Abendessen. Es gibt eine Art Maisteig, sehr nahrhaft, mit Hühnchen in einer roten Sauce; schmeckt gut und sehr sättigend. Ausserdem stehen Cosmas und Frieder Felicity und Krasimir Rede und Antwort, damit sie die ersten Punkte ihrer Arbeitsliste für ihre Master-Arbeit erledigt bekommen.
Der letzte Tagesordnungspunkt ist ein Besuch beim Chief von Chereponi. Da er eine kleine Bar betreibt, wird zusammen ein Bier getrunken. Er ist ein interessanter Typ, aber schwierig zu verstehen. Auf jeden Fall unterstützt er das Projekt und wir verständigen uns darauf, den Dialog am nächsten Abend fortzusetzen. Danach geht es zügig ins Bett. Frieder und ich teilen uns eine Matratze und schlafen wegen der Hitze im Freien auf dem Hof. Das ist wesentlich angenehmer und mit den Moskitos gibt es im Moment keine Probleme.
12. April: Gegen 5:00 werden wir vom Gesang von vier bis fünf Muezzins geweckt. Frieder sagt, dies wäre in den letzten Jahren noch nicht so gewesen. Ich finde es recht aufdringlich, um nicht zu sagen aggressiv in einer Gegend, in der rund ein Drittel der Einwohner Christen sind. Man könnte fast meinen, in Afrika läuft eine Kampagne.
Nach der Morgentoilette gibt es Kaffee und ich schreibe meinen Reisebericht. Zum anschließenden Frühstück gibt es griessbreiähnlichen Hirsebrei mit Zucker und Kondensmilch sowie die geschenkten Eier als Omelette. Es schmeckt gut und macht satt.
Zwei Communities wollen wir heute besuchen, Chere-Nakaku und Bumburuga. Der Besuch in Chere-Nakaku läuft sehr ähnlich ab wie der in Nansoni. Zuerst geht es wieder zum Chief, die Frauen tanzen, die Stimmung ist herzlich und konstruktiv und zum Schluss bekommen wir einen Topf Eier geschenkt. Die Frauen weisen darauf hin, daß ihre Arbeitszeit teilweise darunter leidet, dass einzelne Brunnen nicht genügend Wasser liefern und sie es deshalb über weite Strecken mit viel Kraft und Zeit (größer eine Stunde) heranschaffen müssen. Wir besichtigen einen dieser Brunnen, können aus der bloßen Anschauung jedoch keine besonderen Feststellungen machen. Das Problem ist aus unserer Sicht eines, mit dem die Community alleine zurechtkommen sollte.
In Bumburuga ist es um die Mittagszeit mit über 40 Grad Celsius brütend heiss und die Stimmung nicht gut. Es ist am weitesten entlegen und wie wir von Nicolas hören, ist es die Community, die in der Zusammenarbeit am schwierigsten ist (z.B. im Hinblick auf die Einhaltung der Ablieferungsverpflichtungen). In der Diskussion wird deutlich, das es wohl die eine oder andere Schwierigkeit gegeben hat (z.B. ist wohl nicht zeitig genug für eine optimale Saat gepflügt worden). Auch kehrt das Thema des niedrigen Bodenertrags wieder und George, der hiesige Agent, macht nicht den dynamischsten Eindruck. Hier liegt also noch viel Arbeit vor uns, aber die Frauen geben uns klar zu verstehen, sie wollen weiter dabei bleiben und nächstes Jahr besser abschneiden.
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass es diesmal keine Geschenke gibt. Dafür werden wir auf eine Schale Pitou eingeladen, das von den Bauern selbstgebraute Bier. Es ist trinkbar aber wird kein globaler Kassenschlager werden. Es erinnert mich an Apfelwein. Der schmeckt zu Beginn auch nicht toll, man gewöhnt sich aber daran.
Zurück in Chereponi wollen wir noch dem Ministry of Agriculture einen Besuch abstatten, um über das Projekt unserer vier Studenten zu informieren. Da es bereits weit am Nachmittag ist, treffen wir niemanden mehr an. Die Behörden sind hier zumindest Freitags nicht anders als in Deutschland. Das Team beschließt, die Zeit vor dem Abendessen stattdessen noch für eine Arbeitssitzung zu nutzen. Unter anderem diskutieren wir wieder das Thema Reservenbildung. Den rudimentären Zahlen von Nicolas folgend scheint er in 2012 mit seinem Team bereits substantielle Reserven gebildet zu haben, sodaß wir hier möglicherweise bereits besser liegen als gedacht. Aber es wird vor allem eines klar: Nicolas hat keinen Überblick über die Zahlen. Wir beschließen insofern als erstes, kurzfristig einen freien Accountant zu engagieren, der das Jahr 2012 sauber aufarbeitet, Nicolas beim Budget für 2013 hilft und für die Zukunft sicherstellt, dass die Kontoführung und Rechnungslegung ordentlich erfolgt.
Zum Abendessen gibt es Gemüsereis mit Fleischbeilage, einen Eiersalat mit Nudeln und reichlich Bier. Es ist hervorragend und alle schlagen sich die Bäuche voll, zumindest ich. Wie am Vorabend vereinbart, geht es dann nochmal zum Chief, der prompt nochmal für uns gekocht hat und freundlicherweise dürfen wir nicht wirklich nein sagen. Der Abend klingt dann sehr lustig aus, der lokale Polizeichef lässt sich noch blicken und bringt „Sir Ernest“ das marschieren bei. Wir diskutieren neue Geschäftsideen und was der Chief tun könnte, um die lokale Entwicklung zu fördern. Ich schlage vor, ein monatliches Dinner für die Jungunternehmer Chereponis zu veranstalten und er ist angetan. Der Chief wiederum erinnert an das Potential der Region als Bestandteil der alten westafrikanischen Handelsroute (?), die dabei ist, ihre ursprüngliche Bedeutung wieder zu erlangen. Chereponi muss wohl früher auf (einer) dieser Handelsroute(n) gelegen haben. Ein interessanter Gedanke wie ich meine.
13. April: Heute steht ein Besuch in Ando-Kajuro und die Abschlußbesprechung an, bevor Frieder und ich uns auf den Weg nach Offinso machen. Der Besuch in der genannten Community verläuft ohne Überraschung, zeitigt jedoch die intensivsten Diskussionen bisher. Es ist toll zu sehen, wie die Frauen für Ihre Sache eintreten. Und nach jedem Beitrag wird geklatscht, kein Spott, Hohn oder ähnliches. Negativ fällt nur Sir Ernest auf, der sich implizit als Wettbewerber outet und den wir deswegen bei aller Freundschaft von zukünftigen Arbeitsbesprechungen auszuschließen beschließen.
Frieder faßt in der Abschlußbesprechung folgende Punkte zusammen:
1) Accounting, siehe oben. Auf dieser Basis sollte es dann auch möglich sein, über die für die Reservenbildung nötigen Abgaben zu entscheiden.
2) Vertragsdokumentation. Wenn die neuen Abgaben mit den Frauen vereinbart werden, sollte die gesamte vertragliche Beziehung mit den Frauen bzw. Communities schriftlich festgehalten werden. Dies auch im Hinblick auf die Rechenschaftspflichten von Nikolas und seinem Team im Hinblick auf die Reserven, die den Frauen gehören.
3) People Development. Nikolas muß beginnen, bewußt sein Team zu entwickeln (Skill/Will-Matrix). Akor kann wahrscheinlich mehr und müßte gefördert werden, mit George muss gesprochen werden und wenn es sich nicht bessert, muß er ausgetauscht werden.
4) Strategischer Fokus. Produktivitätssteigerung geht vor Wachstum, daher bis auf weiteres keine neuen Communities, Arrondierungen in den bestehenden Communities sind in Ordnung.
5) Strategie zur Produktivitätssteigerung. Wird gemeinsam (!) mit dem studentischen Team entwickelt für einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren.
6) Mikrokredite. Der bestehende Dry Season-Zyklus wir durchgezogen, auf Basis der Erfahrungen wird im Oktober über das weitere Vorgehen entschieden.
7) Tierhaltung. Nikolas und sein Team machen bis Oktober einen Vorschlag.
8) Für die Kinder gibt es eine Party für den Beitrag zur Spendenaktion mit der Deutschen Bank.
Nikolas und Cosmas nehmen alles mit Zustimmung und dem gehörigen Respekt vor der Aufgabe auf. Es wird ihnen nicht langweilig werden.
Nach einem kurzen Lunch und einer herzlichen Verabschiedung brechen Frieder und ich nach Offinso auf. Etwa acht bis zehn Stunden Fahrt liegen vor uns. Wenigstens haben wir jetzt etwas mehr Platz und das Auto ist leichter.
Die Fahrt verläuft problem- und ereignislos. Wir erreichen Offinso gegen 21:00 und werden von Kwame bereits erwartet, der uns den Weg zu unserer Bleibe weist, einem gut gepflegten Guest House. Dort angekommen, verabschieden wir uns von unserem Fahrer Kennedy, ein ganz liebenswerter Kerl, der noch weiter zurück nach Accra fahren will. Im Guest House gibt es ein einfaches Abendessen, dass Frieder Gelegenheit gibt, mit Kwame den nächsten Tag zu planen. Um 23:00 ist Schluß.
14. April: Wir werden von Kwame gegen 8:00 abgeholt und fahren mit einem kleinen Taxi in sein Büro. Es ist Sonntag und das Büro ansonsten geschlossen. Die nächsten Stunden unterhalten wir uns intensiv über das Mikrokreditgeschäft. Hier richtet es sich ausschließlich an Frauen, die mit ihrem Kredit eine geschäftliche Aktivität für den eigenen Lebensunterhalt bzw. den der Familie finanzieren wollen, keinen Zugang zu üblichen Kreditquellen haben und auch nicht notwendigerweise schon über einschlägige Erfahrungen verfügen.
Die Frauen werden von Kwame ob ihrer Lebensumstände und der geplanten Kreditverwendung genau geprüft und sofern sie sich als „kreditwürdig“ (etwa 60% der Bewerberinnen) erweisen, erhalten sie maximal 200 Cedi (2,5 Cedi = 1 Euro). Davon zahlen sie zunächst eine „Registration Fee“ bzw. Bearbeitungsgebühr von 5 Cedi. Danach zahlen sie ein Jahr lang alle zwei Wochen 10,9 Cedi zurück, in Summe 260 Cedi, was einem jährlichen Zinssatz von etwas mehr als 40% entspricht. Dies erscheint hoch, ist aber angemessen, da Kwame die Frauen wähend der Laufzeit des Kredites weiter intensiv betreut und berät. Die Kredite werden im übrigen nicht an einzelne Frauen, sondern nur an Frauengruppen mit in der Regel fünf Frauen vergeben, von denen eine für die Führung der Gruppe und die Zahlung der Raten verantwortlich ist. Zahlt eine der Frauen nicht, muß die Gruppe dafür geradestehen. Der dadurch gegebene Gruppendruck wirkt sich positiv auf die Zahlungsmoral aus. Die bisherigen Zahlungsausfälle sind denn auch erfreulicherweise fast vernachlässigbar und resultierten aus Todesfällen und ähnlichem.
Um Kwames Vergütung und außerdem die Kosten für das Büro, seine Mitarbeiterin Abigail und das kleine Motorrad bezahlen zu können, braucht es pro Jahr etwa 150 „Beneficiaries“, um „Break Even“ zu sein und es sieht so aus, daß das zu schaffen ist. Aktuell hat er eine Bewerberliste von rund 25 Frauen. Werbung braucht er nicht zu machen, das Programm und sein Erfolg haben sich bereits weit herumgesprochen.
Intensiv diskutieren wir die Frage, ob ein Top Up während der Kreditlaufzeit und nach der Rückzahlung ein weiterer, zweiter Kredit möglich sein sollte. Einige Frauen haben sich nach der Möglichkeit eines Top Ups erkundigt, um zum Beispiel Spitzen in Ihrem Geschäft besser nutzen zu können. Bisher haben sich Frieder und Kwame hier zurückgehalten. Jetzt beschließen sie, etwas offensiver an die Sache heranzugehen und im Rahmen bestimmter Grenzen beides möglich zu machen. Man wird sehen, welche Erfahrungen damit gemacht werden. Ich denke, der Schritt ist richtig, weil bei gegebenem Kreditplafond der Arbeitsaufwand nicht zunimmt und Zweitkredite erfahrungsgemäß niedrigere Ausfallraten haben (sofern der Erstkredit ordnungsgemäss bedient wurde).
Zum Schluß spreche ich Kwame auf „Mikro-Equity“ an, ob es sowas schon gibt und ob ihm Situationen einfallen, in denen das hilfreich sein könnte. Es braucht einen Moment, bis er versteht. Er sagt, sowas gibt es seines Wissens noch nicht, aber es wäre wahrscheinlich sehr sinnvoll, denn es gibt im Grunde keine Eigenkapitalquellen für potentielle Unternehmer, die etwas mehr investieren müssen. Hier gibt es also möglicherweise eine Versorgungslücke, deren Schließung einen positiven Wachstumseffekt haben könnte, insbesondere auch mit mehr industriellem Gehalt statt Handel und Dienstleistungen, dem Schwerpunkt der Mikrokredite.
Gegen 11:30 sind wir durch und machen einen Abstecher auf den Markt von Offinso: laut, lebendig, chaotisch aber irgendwie nett, es herrscht eine freundliche Stimmung. Alles ist im Angebot, von der Machete bis zum gebrauchten Fahrradpedal. Danach Mittagessen, Reis mit Huhn, gut, aber beim Salat bin ich vorsichtig. Das hat sich bisher auf jeden Fall ausgezahlt.
Wir machen einen Besuch bei zwei im Februar gebildeten Frauengruppen. Sie leben etwas außerhalb von Offinso an der Strasse nach Tamale. Wir werden herzlich empfangen. Die Frauen machen einen fröhlichen Eindruck, sprechen laut miteinander und lachen viel. Kwame stellt uns vor und Frieder hält eine kleine Rede, danach können wir fragen. Die Frauen machen typische Kleingewerbe. Sie betreiben Stände an der Straße, verkaufen Waren, die sie in Kumasi oder bei den umliegenden Bauern kaufen. Sie bereiten Speisen zu, die sie ebendort verkaufen, schneiden Haare oder machen Pedi- und Maniküre. Die Economics im Speisenzubereitungsmodell sind recht ähnlich: etwa 10-15 Cedi werden in die Zubereitung einer Losgröße investiert, die dann für 25-30 Cedi in ein oder zwei Tagen verkauft werden und das ganze je nach Zeiteinsatz maximal siebenmal die Woche. In der Regel verdienen die Frauen damit 50-100 Cedi die Woche, das reicht auf jeden Fall für die Kreditrückzahlung und ein bescheidenes Sparen. Eine Frau zeigt uns ihr Sparbuch, auf das sie jeden Tag 2 Cedi einzahlt und das ein Sparkapital von 152 Cedi aufweist. Sie ist sehr stolz darauf, das ist schön.
Die Frauen sind vom Alter und den Familienverhältnissen her vollkommen unterschiedlich. Das Alter reicht von Anfang 20 bis gut 60 Jahre. Manche sind verheiratet, manche nicht (mehr). Die Kinderzahl korreliert stark mit dem Alter: von keine Kinder in den jungen Jahren bis zum Spitzenwert von 10 (!) Kindern und acht Enkeln in der 50igern. Die durchschnittliche Kinderzahl schätze ich locker auf über fünf. Die 50-100 Cedi stopfen eine Menge Mäuler.
Zum Abschluß geben wir zur großen Freude der Damen eine Cola/Fanta/ Sprite aus und besuchen noch zwei Frauen in ihren Häusern. Die Lebensverhältnisse sind besser als gedacht. Es sind funktionierende dörfliche Strukturen, die Infrastruktur ist einfach aber funktioniert, die meisten haben ein Dach über dem Kopf und es gibt genug zu essen. Es darf halt nichts schiefgehen und die Extras sind für unsere Verhältnisse sehr bescheiden.
Durchgeschwitzt und etwas erschöpft geht es um 15:30 zurück ins Hotel. Bis der Auditor zur Abschlußbesprechung kommt, ist Zeit für eine Siesta. Schließlich erreicht er verspätet um 18:30 das Guest House. Es ist ein liebenswürdiger älterer Herr und angesichts der Überschaubarkeit des Geschäfts ist die Abschlußbesprechung relativ kurz. Die einzig kritische Position ist wirklich die der ausstehenden Kreditforderungen und diese muß deshalb gründlich vor Ort geprüft und im Abschlußbericht detailliert mit ergänzenden Information (z.B. Ausfallquoten) dokumentiert werden.
Den Abend schließen wir mit einem gemeinsamen Abendessen mit Kwame und seiner siebenjährigen Tochter Lawrencia ab. Es ist nett und auch nachdem Kwame gegangen ist, haben Frieder und ich uns noch viel zu erzählen.
15.April: Wir müssen heute spätestens gegen 10:30 zum Flughafen Kumasi aufbrechen, um die Reise nach Banjul anzutreten. Die verbleibende Zeit wollen wir nutzen, um noch eine Frauengruppe in der Nähe des Büros zu besuchen. Anders als gestern treffen wir die Frauen einzeln und sie sind in der einen oder anderen Form bereits geschäftlich aktiv. Doch der Eindruck, den wir gestern gewonnen haben, bestätigt sich sehr klar. Es sind tolle Frauen, die ihr nicht einfaches Leben mit Würde und Fröhlichkeit meistern und denen der Mikrokredit den täglichen Überlebenskampf ein kleines bisschen erleichtert.
Die Projekte in Gambia
Die Reise nach Banjul ist langwierig aber ansonsten ereignislos. Wir fliegen von Kumasi nach Accra und von dort mit Zwischenlandungen in Monrovia, Liberia, und Freetown, Sierra Leone, nach Banjul und kommen gegen 20:45 um 15 Minuten vor der Zeit an. Edith und Nurudeen holen uns ab. Edith hat in Dutabullu Käse gemacht und ihn bereits erfolgreich verkauft. Sie platzt vor Freude und Stolz und das hat sie auch verdient. Es bleibt abzuwarten, wie sich das entwickelt, insbesondere weil die Milchproduktion noch nicht wirklich im Gange ist. Wenn sich das jedoch bestätigt, könnte es ein echter Durchbruch sein. Wir werden sehen. Den Abend beschließen wir im Leybato Hotel mit einem Probeessen des selbstgemachten Käses, der wirklich vorzüglich schmeckt.
16.April: Heute geht es in den Upper Baddibou District. Wir werden begleitet von Mussa, der die Gelegenheit nutzt, mit uns nach Chamen zu kommen. Im Gegensatz zu früheren Besuchen gönnen wir uns diesmal einen Pajero mit Fahrer, fahren auf der Südseite des Gambia und nehmen die Fähre von Soma nach Farafenni. Die Fährensituation in Banjul hat sich weiter verschlechtert und das Übersetzen dort braucht einfach zuviel Zeit. Zudem ist die Straße auf der Südseite mittlerweile fast bis Soma ausgebaut, sodaß man zügig voran kommt. Leider platzt uns das rechte Hinterrad, aber nach einer knapp 45minütigen Zwangspause können wir mit dem Reserverad die Fahrt wieder aufnehmen.
Den Fluß überqueren wir auf der Fähre als Fußgänger. Auf der anderen Seite erwartet uns ein Taxi, das uns die verbleibende kurze Strecke nach Farafenni und dort zum Büro der RDO bringt, der Rural Development Organization. Dort treffen wir das ganze Team: Malang, Buba und Jainaba. Nach einer herzlichen Begrüssung geht es gleich an die Arbeit mit einer Besprechung des Status quo mit Malang, der uns durch die Themen führt und dessen Ergebnisse im folgenden zusammengefaßt sind.
Office:
– Malang wird einen Vorschlag zu Office Security und Cleaning machen, der Board entscheidet und ist grundsätzlich positiv, sofern die Kosten dafür überschaubar bleiben.
– Malang wird in Abstimmung mit Nurudeen einen Vorschlag zum Accounting machen. Zur Zeit wird dies auf Freelance-Basis von Mamadou Bah gemacht und die Kosten dafür sind noch nicht geklärt. Ziel ist es, die Kosten so gering wie möglich zu halten und so schnell wie möglich jemanden einzustellen, der nach Einarbeitung und Training durch Mamadou dies und möglichst noch weitere Aufgaben übernehmen kann. Es besteht Einigkeit, dass höchste Transparenz herrschen muss und in Zukunft wegen der Reservenbildung etc. getrennte Accounts für die einzelnen „Geschäftsfelder“ geführt werden müssen. Der Kandidat muss also ausreichend qualifiziert sein.
– Jainaba konzentriert sich ab sofort ausschliesslich auf die weitere Entwicklung des neuen Geschäftsfelds Käse. Ihr monatliches Netto-Gehalt wird per sofort auf 1.000 Dalasi reduziert. Sie berichtet an Malang (das ist das Ergebnis mehrerer Gespräche während unseres Aufenthalts, dass ich hier der Einfachheit vorwegnehme).
Dutabullu:
– Die neue Wasserversorgungsanlage ist fertig installiert und funktioniert einwandfrei. Der Gemüsegarten ist angelegt und wird bearbeitet, die Kühe werden mit dem frischen Wasser getränkt und die Haushalte haben über die Zugangsstellen im Dorf Zugang zu sauberem Wasser.
– Das Problem ist, daß die Dorfbewohner noch nicht die vereinbarte „Water Fee“ in Höhe von 50 Dalasi pro Person pro Monat bzw. 25.000 Dalasi für das Dorf insgesamt bezahlen wollen (45 Dalasi = 1 Euro). Als Gründe hierfür werden genannt die schlechte derzeitige Verfassung der Kühe, die zum Teil unter Keuchhusten leiden und zur jetzigen Zeit kaum zu Fressen finden und Milch geben, und daß mit dem Gemüseanbau gerade erst begonnen wurde und noch keine Einnahmen erzielt werden konnten. Das Thema wird intensiv diskutiert. Wir sind uns einig, dass wir im Grundsatz auf die vereinbarte Water Fee bestehen und in dem kommenden Gespräch mit den Dorfbewohnern eine harte Linie fahren müssen.
– Das Geschäftsfeld Käse wird in Dutabullu von der RDO aktiv weiter entwickelt. Genauso das Geschäftsfeld Chutney and Jam in Chamen. Edith wird seitens des Board das Thema weiter führen und sich diesbezüglich mit Malang koordinieren. Auf Sicht wird es Sinn machen bzw. erforderlich werden, seitens der RDO jemanden für Marketing und Verkauf aufzubauen. Eventuell käme Mussa hierfür in Frage. Zu klären wird noch sein, wie die RDO für ihren Beitrag zu vergüten ist.
Chamen:
– Der Gemüseanbau im Garten läuft jetzt auf vollen Touren, im März wurde Gemüse im Wert von über 25.000 Dalasi geerntet. Die Prozesse für ernten, wiegen, abrechnen sind etabliert und funktionieren unter der Aufsicht von Buba soweit gut.
– Es sind überwiegend Zwiebeln angebaut worden und die Qualität ist sehr gut mit einer außerordentlichen Größe der Zwiebeln. Der Marktpreis beträgt zur Zeit rund 15 Dalasi/kg. Da Malang mit besseren Preisen von bis zu 30 Dalasi im Juni rechnet, wird das der RDO zustehende Drittel der Zwiebeln eingelagert. Zusätzlich die zwei Drittel der Familien, die ihren Anteil gleich verkaufen wollen und nicht selbst verwerten. Die Strategie wird vor dem Hintergrund der Lager- und Preisrisiken diskutiert. Man einigt sich darauf, das Risiko auf ein Drittel der Mengen zu limitieren und den Rest zu monetisieren. Malang wird sich darum kümmern.
– Wie oben erwähnt, kümmert sich im Moment Buba um das Wiegen und Abrechnen der Ernte in Chamen und ist deswegen jeden Tag in Chamen. Das ist ineffizient und Malang wird deswegen gebeten, einen Dorfbewohner für eine angemessene Vergütung zu rekrutieren, der diese Aufgabe von Buba übernimmt. Buba soll ausserdem jetzt seinen Motorradführerschein machen, um mobiler zu werden, denn mit Jumansar werden seine Aufgaben zunehmen. Die Kosten des Führerscheins in Höhe von 500 Dalasi bezahlt Frieder an Malang.
Jumansar:
Die Anlage der Brunnen auf dem neuen, knapp sechs Hektar großen Gemüsegarten sind so gut wie fertig. Einziger Wermutstropfen ist, daß es länger als geplant gedauert hat und bis jetzt noch nicht mit dem Gemüseanbau begonnen wurde.
Sonstiges (teilweise auch der Einfachheit halber vorweggenommen):
– Für die nächste Saison brauchen wir eine Anbau- und Massnahmenplanung zur Produktivitätssteigerung. Dies sollte auch der erste Schritt hin zu einem jährlichen Planungs- und Budgetierungsprozess sein. Malang soll hierfür mit Buba einen Vorschlag für das Board machen, der gegebenenfalls auch notwendige Investitionen ausweist. Für 2014 macht es möglicherweise Sinn, die Entwicklung der Planung für die nächste Saison analog Chereponi durch ein Team der Universität Hohenheim unterstützen zu lassen.
– Für die Wasserversorgungssysteme wird eine Wartungsplanung gebraucht, die von den Wasserkomitees in Dutabullu und Chamen ausgeführt werden muss. Malang soll Boubakar Njie bitten, eine entsprechende Planung zu dokumentieren, die Wasserkomitees bei der Umsetzung unterstützen und gegebenenfalls notwendigeTrainingsmassnahmen durchzuführen. Mittelfristig ist darüberhinaus über eine Back up-Lösung für die Wasserversorgungssysteme nachzudenken, um die Gemüseernten zu sichern.
– Sobald Jumansar „on stream“ kommt, werden sich signifikante Produktionsmengen von 50- 100 Tonnen Gemüse per annum ergeben. Das kann mit den traditionellen Methoden nicht mehr bewerkstelligt werden und über Lagerung, Kühlung, Transport und Vermarktung muss neu nachgedacht werden. Als erster Schritt werden sich Nurudeen und Malang bzw. Frieder an der Universität Hohenheim darum bemühen, jemanden zu finden, der über einen Zeitraum von ca. drei Monaten die Vermarktungsthematik untersuchen kann, sodass darauf aufbauend die übrigen Fragen angegangen werden können. Unsere gegenwärtige Hypothese ist, dass es wohl auf eine integrierte Fazilität für Lagerung, Kühlung, Food Processing und RDO in Jumansar hinausläuft. Nurudeen und Malang sollen sich diesbezüglich auch schon einmal perspektivisch mit der Grundstücksfrage beschäftigen.
– Nicht zuletzt um die einzelnen Geschäftsfelder separat auszuweisen, sondern vor allem um auch den Dorfbewohnern über ihre jeweiligen Reserven transparent Rechnung legen zu können, muss das Accounting weiter entwickelt und separate Accounting-Entitäten gebildet werden. Mamadou soll sich darum kümmern und die entsprechenden Grundlagen und Voraussetzungen schaffen.
In Summe halten wir fest, dass viel erreicht wurde und deswegen sich viele neue Herausforderungen ergeben. Das liegt in der Logik der Sache und zeigt nichts anderes, als dass es gut vorangeht. Malang und Buba werden dafür intensivst gelobt und wir klopfen ihre Schultern. Es tut ihnen sichtbar gut.
Nach unserer Besprechung brechen wir am späten Nachmittag nach Dutabullu und Chamen auf, um einen Blick auf die Anlagen und Gärten zu legen und Hallo zu sagen. Wir kommen in Dutabullu eine Stunde vor Sonnenuntergang an, die Zeit, wenn die Frauen wegen der nachlassenden Hitze im Gemüsegarten arbeiten und wässern. Und der Anblick, der sich uns auf dem Weg zum Gemüsegarten bietet, ist wirklich toll: knapp 100 Leute, rund ein Fünftel der Dorfbevölkerung, arbeiten dort und bestellen ihre Beete. Sie sind aktiv und tun etwas, um Einkommen zu erzielen und ihre Lebensbedingungen mit eigener Kraft zu verbessern, genau das, was wir erreichen wollen. Wenn man die neue Käseproduktion noch dazunimmt, ein sehr befriedigendes Ergebnis. Einziger Wermutstropfen ist die Tatsache, dass an der sonst tadellosen Anlage schon erste Zeichen nachlässigen Umgangs zu erkennen sind. Der Gedanke einer Wartungsplanung mit allem was dazugehört wird geboren.
In Chamen bietet sich im Gemüsegarten das gleiche Bild und wir werden von den Frauen, angeführt von Mariama, sehr herzlich begrüßt. Der Garten sieht gut aus und ist stärker als Dutabullu auf Zwiebeln ausgerichtet, Dutabullu ist vielfältiger bepflanzt. Malang zeigt uns die eingelagerten Zwiebeln und wir können das abendliche Wiegen der Ernte beobachten. Es scheint mittlerweile ein eingespielter Vorgang zu sein, Schritt für Schritt kommen wir voran.
Zum Abendessen gehen wir relativ groggy mit Malang in das „Classic Restaurant“. Es war ein langer Tag in größter Hitze. Entsprechend sind alle recht müde und es dauert nicht lange, daß wir zu unserer Unterkunft aufbrechen. Eddy’s Guest House ist voll und Malang hat uns bei Freunden untergebracht. Da in meinem Zimmer die Klimaanlage nicht funktioniert, bietet mein Zimmernachbar Moru mir sein Bett an. Ich lehne ab und er insistiert. Schließlich gebe ich nach unter der Bedingung, dass wir nicht beide in demselben Bett schlafen. Das war eine gute Idee, er wird sich am nächsten Tag als schwul erweisen. Die Nacht ist heiß und ab 3:00 gibt es keinen Strom mehr, die Klimaanlage fällt aus.
17. April: Zum Frühstück gibt es Nescafe und Baguette gefüllt mit Akara, frittiertes Bohnenpüree, sehr gut. Heute stehen Besuche und Besprechungen mit den Dorfhonoratioren in Dutabullu und Chamen an. Aus Banjul nachkommend erreicht uns Nurudeen rechtzeitig, um an den Besprechungen teilzunehmen.
In Dutabullu läuft trotz des Problems mit der Zahlung der Water Fee alles wieder sehr würdevoll und überaus konstruktiv ab. Für die Menschen ist die Belastung neu und sie haben sich noch nicht daran gewöhnt. Ausserdem ist zu dieser Jahreszeit das Geld generell knapp und der Gemüseanbau hat gerade erst begonnen. Aber sie betonen immer wieder sehr glaubwürdig, dass sie zu ihren Verpflichtungen stehen wollen und alles tun wollen, um ihnen nachzukommen. Wir einigen uns darauf, dass wir dies seitens der RDO diskutieren und mit einem Vorschlag kurzfristig auf sie zukommen werden.
Daneben geben wir ausdrücklich unser Missfallen über den nachlässigen Umgang mit der Anlage Ausdruck und kündigen die Wartungsplanung an. Sie sind betroffen und geloben Besserung, wir werden sehen. Last but not least vereinbaren wir, das Käsegeschäft gemeinsam mit Ihnen ausbauen zu wollen. Vor dem Hintergrund des Erfolgs ist das unkritisch. Zum Schluß überreiche ich die Schulsachen von Edith und mir für die Kinder. Ich hoffe, sie finden ihre Bestimmung.
In Chamen ist die Atmosphäre entspannt, da es im Grunde keine wirklich kritischen Themen gibt. Wir sprechen die für das weiter Vorgehen relevanten Aspekte an. Denba weist auf die Notwendigkeit hin, angesichts der Mengen mehr über die Vermarktung nachdenken zu müssen und wir sehen das genauso. Am Schluss bekommt auch Chamen seinen Anteil an den Schulsachen von mir überreicht. Fussbälle und Trikots waren populärer, wen wundert es.
Parallel zu unseren Besprechungen kümmert sich Edith um die weitere Produktion von Käse in Dutabullu und Chutney und Mango-Jam in Chamen. Sie hat bereits weitere Abnehmer in Banjul und Farafenni gefunden, unter anderem Eddy’s Guest House, und sie will sicherstellen, dass diese Kunden zufriedengestellt und die Umsätze eingefahren werden. Es ist beeindruckend zu sehen, wie Edith die Frauen unterrichtet und instruiert und diese aufmerksam und hoch motiviert dabei sind. Am Schluß wird Edith Umsätze von deutlich über 1.000 Dalasi realisiert haben, eine sensationelle Summe aus Sicht der Frauen.
Nach unserer Rückkehr am späteren Nachmittag diskutieren wir im Büro der RDO zunächst die Frage der Water Fee von Dutabullu. Mbelly, der Vorsitzende des Village Development Committees, sagt, dass sie aus Sicht des Dorfes am liebsten eine verbrauchsabhängige Gebühr von einem Dalasi pro 20 l einführen würden. Angewendet auf den geschätzten Verbrauch würde dies einem Umsatz von rund 57.000 Dalasi entsprechen, genug um die 25.000 zu zahlen. Nach langer Diskussion geben wir Mbelly mit auf den Weg, dass wir auf die 25.000 erst ab Mai bestehen und dass wir hinsichtlich der Verrechnung dem Dorf freie Hand lassen, solange klar ist, dass die Verantwortung für die Umsetzung beim Dorf liegt. Er wird es mit dem Dorf besprechen.
Edith, Nurudeen und ich gehen anschliessend zu Eddy‘ Guest House. Wir wollen ihn über unsere gestrige Arbeitssitzung mit Malang informieren und das sensible Thema Jainaba mit ihm aufgreifen. Er nimmt das Thema absolut professionell auf und schließt sich gerne unseren Vorschlägen an. Alle sind wir der Meinung, dass es am besten wäre, wenn Jainaba andernorts einen Neuanfang unternehmen würde. Finanziell ist das zur Zeit jedoch nicht drin, auch wegen des noch laufenden Verfahrens.
Nachdem Frieder und Malang zu uns gestoßen sind, bleiben wir zum Abendessen in Eddy’s Guest House und fahren später wieder zu unserer Unterkunft. Es ist nicht mehr ganz so heiß und aus guten Gründen schlafe ich heute alleine in dem für mich vorgesehenen Zimmer.
18. April: Heute steht Jumansar auf dem Programm. Wir besichtigen den Gemüsegarten, an den im Moment letzte Hand zur Fertigstellung der sechs mal drei Brunnen für die Bewässerung angelegt wird. Jumansar ist nahe am Fluß und der Grundwasserpegel deshalb nicht tief. In den Brunnen steht Wasser ab etwa drei Meter Tiefe, sodass es von Hand geschöpft werden kann und keiner Pumpen bedarf. Die geplante Solar- und Pumpanlage ist ausschließlich für die Wasserversorgung der Haushalte gedacht.
Der Gemüsegarten in Jumansar ist sehr groß, knapp sechs Hektar. Bei deutscher Produktivität würden hier knapp 300 Tonnen Gemüse pro Jahr wachsen. Noch bei einer angenommenen Produktivität von 20% der deutschen wären es 60 Tonnen. Dies kann mit traditionellen Methoden nicht verarbeitet und vermarktet werden. Die ganze Sache muss neu angegangen werden und damit wollen wir in den nächsten Wochen mit einer Vermarktungsstudie beginnen (siehe oben).
Die Besprechung mit den Dorfhonoratioren ist vor diesem Hintergrund recht problemlos. Lediglich bei der Frage, warum bisher im Gemüsegarten noch nichts angebaut wurde, kommt etwas Stimmung auf, aber es wird schnell wieder friedlich. Es wird auch von den Dorfbewohnern darauf hingewiesen, dass der bisherige Verkauf auf dem wöchentlichen Markt nicht ausreichen wird, neue Wege gegangen werden müssen. Zusätzlich weisen sie auf Probleme mit einem bestimmten Unkraut hin, sie brauchen Hilfe bei der Bekämpfung und wir sagen, dass wir sehen werden, was wir machen können.
Zurück aus Jumansar machen wir bei Eddy’s Guest House unsere Abschlußbesprechung, während Edith mit Jainaba noch letzte Hand an den zuletzt produzierten Käse, Chutney und Mango-Jam legt. Sie will ihn nach Banjul mitnehmen und dort verkaufen, teilweise ist er sogar schon vorbestellt. Nachdem alles besprochen, alles fertig produziert ist, treten wir am frühen Nachmittag zusammen mit Nurudeen die Rückfahrt an, die problemlos verläuft und uns am frühen Abend im Leybato Beach Hotel in Banjul ankommen läßt.
Den Tag beschließen mit einem Abendessen bei Kerzenlicht. Es gibt mal wieder keinen Strom, die Stromversorgung ist mittlerweile katastrophal. Während meines Aufenthalts gab es jeweils nur etwa vier bis sechs Stunden Strom am Tag. Ohne einen Generator geht im Prinzip für stromabhängige Betriebe gar nichts mehr.
19. April: Wir beginnen, langsam in die Normalität zurückzukehren. Als erstes steht eine Einheit Sport an und gemeinsam mit Frieder mache ich eine Stunde Fitness am Strand. Uns kommt entgegen, dass es hier in Banjul am Meer unerwartet kühl ist, die Temperaturdifferenz zu Farafenni ca. 200 km östlich im Inland ist mit geschätzt mehr als 10 Grad beachtlich. Zum Frühstück gibt es den Mango-Jam der Frauen von Chamen, vorzüglich, und ich setze die Arbeit an meinen Reisebericht fort. In Farafenni ist wirklich viel passiert die letzten Tage und es gibt entsprechend viel zu schreiben.
Ein noch offenes Thema ist die Frage, wie die RDO für ihre Leistungen als Kooperative vergütet werden soll, damit sie ihre Kosten decken kann. Gegeben die Kosten der RDO in Höhe von zukünftig rund 750.000 Dalasi pro Jahr und eine ungefähre Größenordnung der zu erwartenden Umsätze in Höhe von 2,0-2,5 Millionen Dalasi, ergibt sich bei einer Kostendeckung von anfänglich 50% eine Managementgebühr von rund 15% und das erscheint uns allen für den Moment angemessen. Für die Rücklagenbildung wollen wir im Food Processing-Bereich zusätzlich weitere 15% des erzielten Deckungsbeitrags nach direkt zurechenbaren Kosten einbehalten, da auch hier Investitionen vorfinanziert und Reserven gebildet werden müssen.
Glücklicherweise ist an diesem Freitag auch Mamadou Bah, unser Accountant, verfügbar und er kommt gegen Mittag vorbei. Das gibt uns Gelegenheit, mit ihm über die Notwendigkeit separater Accounting-Entitäten für die einzelnen Geschäftsfelder zu besprechen, um die jeweiligen Reserven für die Dörfer transparent abbilden zu können. Er versteht sehr schnell und scheint sein Geschäft zu verstehen. Das Problem wird die Umsetzung mit Nurudeen und Malang werden, da werden wir einige Schleifen drehen, aber so ist es halt. Später bemerkt Frieder, dass wir auf dieser Reise wirklich jede Minute genutzt haben und er hat recht, so ist es wirklich gewesen.
Am Nachmittag kommt noch Bubakar Njie vorbei, um Käse zu kaufen und gemeinsam „chillen“ wir in der Sonne unserem Aufbruch zum Flughafen entgegen. Zu unserer grossen Überraschung müssen wir am Flughafen dann feststellen, dass unser Flug ersatzlos gestrichen ist und wir uns darauf einstellen müssen, 24 Stunden später zu fliegen. Wie es der Zufall will, fliegt am selben Abend kurze Zeit später eine nicht ausgebuchte Maschine der Condor nach Frankfurt, aber es erweist sich als unmöglich, mich auf einen der verfügbaren Plätze zu buchen, ein Lehrstück von Inkompetenz, Systeminflexibilität und mangelndem Service von Brussels Airline, die sich schlichtweg um gar nichts gekümmert hat. Edith gelingt es zumindest, Frieder und sich selbst über ihren Lufthansa-Zugang auf Stand By zu buchen und ich hoffe, dass sie noch zwei Plätze bekommen haben. Dies alles ist ein echter Treppenwitz der Luftfahrtgeschichte. Bleibt nachzutragen, dass die Streichung des Fluges nach meiner Meinung schlichtweg darauf zurückzuführen ist, dass zuwenig Passagiere gebucht waren, denn die Liste der betroffenen Leute war nicht länger als 15!
Man muss die Feste feiern, wie sie fallen und so habe ich immerhin zur Kenntnis genommen, dass, nachdem ich fragte, ob denn Business Class-Passagiere anders untergebracht sind als Economy-Passagiere, sich auf einmal mein Hotel änderte. Dieses heißt Coco Ocean Resort und ist nun wirklich nicht schlecht und jetzt sitze ich dort, esse ein Steak und trinke chilenischen Shiraz, während ich meinen Reisebericht weiter schreibe. WLAN soll es übrigens geben, nur funktioniert es gerade nicht, welche Überraschung. Der nächste Tag wird ein Tag am Strand, soviel ist für heute klar und dann geht hoffentlich mein Flieger.
Auf dem Weg zu meinem Zimmer lerne ich in der Bar noch Kevin und Scott von der US Coast Guard kennen. Sie machen hier Trainings für das Gegenstück der Coast Guard in The Gambia und waren auch schon in Nigeria und einigen anderen Ländern unterwegs. Beide wissen jetzt, was Fernet Branca ist. Kevin schläft am Strand ein.
20. April: Das WLAN funktioniert heute tatsächlich und so kann ich nach dem Frühstück meine E-Mails abarbeiten, nichts außergewöhnliches dabei. Gut ist, dass Max bei der Deutschen Bank das Telefoninterview überstanden hat und einen Schritt weiter ist. Den Tag verbummele ich ansonsten am Pool mit Kevin und Scott und Gesprächen über Gott und die Welt.
Gegen 19:00 werde ich abgeholt zum Flughafen. Diesmal scheint es mit dem Rückflug zu klappen. Eine in jeder Hinsicht intensive Reise geht zu Ende. Mit den erreichten Fortschritten können wir alle zufrieden sein. Aber es bleibt viel zu tun, guter Fortschritt schafft eben neue Probleme, aber das ist ein Problem, dass wir alle gerne haben.
Banjul, 20. April 2013
Götz Mäuser
A very comprehensive report of the days in Tropical West Afrika. Like the picture above with the rough road and a worn out tier, the ordinary people have a long way to go. I believe they have the will and with support given to them directly a lot can and will be attained.
Thanks to all of you for making the trip and being with the people who need it most.