So die Einschätzung von Dr. Stefan Oswald, Leiter der Abteilung „Marshallplan mit Afrika, Flucht und Migration“ im BMZ, anlässlich des Besuchs eines mit Unterstützung seines Ministeriums geplanten Ausbildungszentrums in Gambia
Ja, wenn sie wollten… könnten sie es auch in Gambia schaffen…
. . . war die Aussage von Dr. Stefan Oswald bei seinem jüngsten Besuch in Gambia. Sie mögen unseren Bericht zu dieser Meldung vom 18.4. bereits gelesen haben. Aber lassen Sie uns doch mal Wunsch und Wirklichkeit etwas genauer abgleichen.
Oben genannte Meldung ging einher mit einer Aufstockung des European Trust Funds um 7 Millionen Euro auf nunmehr 16 Millionen Euro für drei Jahre. Ziel ist die umfassende Ausbildungsförderung in Gambia. Deutsche (GIZ), belgische (ENABEL) und portugiesische (IMVF) Regierungs-Institutionen führen unterschiedliche Ausbildungsprogramme durch, sowohl in Handwerksberufen sowie in der Landwirtschaft. Laufzeit zwischen 6 und 12 Monaten. Neben Ausbildungsplätzen für arbeitslose Jugendliche – die Zahl beläuft sich auf nahezu 150.000 arbeitslose junge Gambier! – sollen pro Batch 4 Plätze zurückgeführten Migranten vorbehalten bleiben. Laut Dr. Oswald sind derzeit 4.000 von insgesamt ca. 16.000 in Deutschland verweilende Gambier umgehend ausreisepflichtig.
Das ist die Wirklichkeit. Der Wirklichkeit entspricht auch, dass es kaum produzierendes Gewerbe in Gambia gibt, welches Perspektiven für die arbeitslosen Jugendlichen bieten könnte. Bleiben die Tourismus-Industrie und die Landwirtschaft.
Natürlich ist vornehmlich die gambische Regierung in der Pflicht, mehr für ihre Jugend zu tun. Die Dringlichkeit einer Ausbildung in moderner Landwirtschaftstechnik möchte ich hier ausdrücklich unterstreichen, die vielfältigen Berufsfelder bieten noch auszuschöpfende Perspektiven.
Bedauerlicherweise konterkarieren wir unsere eigenen Entwicklungshilfe-Bemühungen mit den massiv ins Land drängenden EU-Agrarexporten. Wenn ein Ausbildungsbetrieb der gambischen Regierung für Hühnerzucht erklären muss, dass viele ihrer motivierten Jungunternehmer ihre Bemühungen aufgeben mussten, angesichts der mächtigen europäischer Konkurrenz, stimmt mich das sehr nachdenklich. Kann ich wirklich zu einer Perspektive ´Landwirtschaft´ raten?
Unternehmen Landwirtschaft
Aber Kritik beiseite – betrachten wir doch mal die Notwendigkeit einer landwirtschaftlichen Ausbildung. Es wird immer wichtiger, die Subsistenzwirtschaft durch gewerblichen Anbau abzulösen. Es kann keine Perspektive sein, lediglich dem Hunger zu entkommen. Es geht um die volle Ausschöpfung des landwirtschaftlichen Potentials. Es reicht nicht, die besten Anbaumethoden für jeweilige Gemüsesorten zu kennen. Es reicht nicht, moderne Bodenbearbeitungsmethoden einzuführen. Es reicht nicht, gezielte Schädlingsbekämpfung einzusetzen.
Es geht um den unternehmerischen Ansatz in der Landwirtschaft; um nachfrageorientierten Anbau; um sequentiellen Anbau unter Berücksichtigung von Fruchtfolgen; um konsequenten Erhalt der Bodenfruchtbarkeit; um verlässliche Lieferketten; um Marktanpassung und Kundenpflege; um Nischenprodukte und umfassendes Sortiment; um Weiterverarbeitung und Vermarktung. Und um viele weitere Diversifizierungsmöglichkeiten im Agrarsektor.
Auch in einem Unternehmen Landwirtschaft muss jede Investition durchkalkuliert werden. Jeder Schlauch, jeder Einsatz moderner landwirtschaftlicher Technik, jedes verbesserte Saatgut muss sich rechnen. Und wenn das Tierfutter für die Hühner teurer ist als der Erlös durch den Verkauf der Eier braucht das Gewerbe vielleicht eine unternehmerische Anpassung. Eine detaillierte Marktanalyse und intensive Kundenakquise sind meines Erachtens genauso wichtig wie Kenntnisse im Kompostieren. Dann finden sich auch die Kunden, die uns versichern, dass sie täglich 3.000! Eier von uns kaufen würden.
Realistische Perspektiven
Ja, die Landwirtschaft in Gambia hat großes Potential. Der Bedarf an Salat, Gemüse und Korn kann derzeit nicht durch heimischen Anbau gedeckt werden. Die meisten Agrarprodukte kommen aus Senegal und Guinea, oder entfernteren Nachbarstaaten. Obwohl große Landflächen in Gambia zur Verfügung stünden.
Dies liegt nicht zuletzt an der bisherigen landwirtschaftlichen Praxis – alle bauen zur gleichen Zeit die gleichen Produkte an – welche nicht ausreichend gewinnorientiert betrieben wird. Es ist eher harte Überlebensarbeit als eine zukunftsträchtige Einnahmequelle. Und in Gambia wollen genauso wenig Jugendliche Bauer werden, wie hierzulande. Es sei denn . . . sie sehen eine profitable Zukunftsperspektive.
Genau hier setzen wir mit unserem Jugendprojekt an. Wir wollen den jährlich 80 Jugendlichen in unserer 2-jährigen dualen Ausbildung ebenjene Perspektiven in allen Facetten landwirtschaftlicher Berufsfelder eröffnen. Und dann passt der Spruch von Minister Oswald, dass wer nur will, es auch schaffen kann. Wenn . . . es realistische Perspektiven gibt.