Perspektiven für Afrika – warum stehlen wir sie ihnen?

Die Frauen und Jugendlichen aus unserem Baddibu-Projekt in Gambia strengen sich an, und können doch angesichts billigen Gemüses aus Europa nicht mithalten. 

Die Frauen und Jugendlichen in unserem Baddibu-Projekt in Gambia sind regelrecht euphorisch seitdem der Kundenkontakt zu den Hotels in der Küstenregion hergestellt ist. Mit großem Elan verfolgen sie den ausgearbeiteten Gartenplan, säen, ackern, jäten mit Sorgfalt und Eifer. Endlich können sie mehr Geld für ihr Gemüse erzielen als auf dem zwar in der Nähe gelegenen, aber von senegalesischen Großhändlern dominierten Lumo Markt. Endlich eine Perspektive!

Mehrere Hektar Gartenfläche hatten sie mit Zwiebeln bepflanzt. Diese sind nun getrocknet und bereit zum Verkauf. Unser Projektleiter Momodou erhielt vor wenigen Tagen einen Anruf. Eine Order über 20 Sack Zwiebel und der wohlmeinende Hinweis, dass es sich sicher lohnen würde mehr Zwiebeln in die Hauptstadtregion zu bringen, da der Preis pro Sack Zwiebel auf 400 Dalasi steigen könnte, rund 8 Euro pro Sack.

Gesagt, getan. Zwei Tage lang kamen die Frauen und Jugendlichen zusammen, selektierten, wogen und verpackten die besten Zwiebeln in 97 Säcke à 18 Kilo, das ortsübliche Gewichtsmaß. Am nächsten Tag waren die Säcke in der Hauptstadt. Und der Preis auf 275 Dalasi pro Sack gefallen. Über weitere drei Tage versuchten Momodou und Musa die Ware zu verkaufen, die Offerten blieben bei 275 Dalasi. Mit diesem mageren Erlös konnten wir weder Transport- und Lagerkosten auffangen, noch die Frauen und Jugendlichen adäquat entlohnen. Die ersehnte Perspektive – eine niederschmetternde Erfahrung. 

Der Grund wurde alsbald klar: Es haben sich rechtzeitig zum bevorstehenden Ramadan zwei Schiffe mit Gemüse und eben auch Zwiebeln aus Europa angekündigt. Agrargüter aus dem hochtechnisierten, subventionsgeförderten Anbau aus Europa. Preiskiller für den gambischen Binnenmarkt.

Verlorene Perspektiven: Zwiebeln aus Europa zerstören den Binnenmarkt

Ist das unser Beitrag zu den propagierten Perspektiven, die in Afrika geschaffen werden sollen? Es wird viel von der Förderung der afrikanischen Landwirtschaft geredet. Wir haben in jahrelanger Vorbereitung gemeinsam mit vielen afrikanischen Staaten ein Economic Partnership Agreement (EPA) entwickelt, dessen Ratifizierung bevorsteht. Doch unterminieren immer noch hohe Agrarsubventionen der EU die Wirtschaftlichkeit der landwirtschaftlichen Produktion, im erlebten Fall in Gambia. Mit Dumpingpreisen stehlen wir der ohnehin armen Landbevölkerung die Erwerbsgrundlage. Mit freier Marktwirtschaft haben diese subventionsmanipulierten europäischen Agrarmärkte nichts gemeinsam. Bereits 2007 forderte Jean Ziegler in Rostock „Es kommt nicht darauf an, den Menschen der Dritten Welt mehr zu geben, sondern ihnen weniger zu stehlen“! Diese elementare Forderung verhallt bis heute ungehört. Unsere mit Scheuklappen operierende Agrarpolitik stiehlt den armen Menschen auf dem Land die Zukunftsperspektive! Darüber hinaus konterkariert sie die Anstrengungen der Entwicklungszusammenarbeit, die indes die Förderung der Landwirtschaft in Afrika auf die Prioritätenliste gesetzt hat. Das ist skurril!

 

In ihrer Kolumne „Seitenblick“ blickt Edith Lanfer über den Tellerrand der eigenen Projektarbeit hinaus und setzt sich kritisch mit verschiedenen Themen der Entwicklungszusammenarbeit auseinander. 

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