In einer zweijährigen Ausbildung sollen jeweils 100 Jugendliche im gewerblichen Gemüsebau geschult werden. Aber wie genau muss ein angepasster Lehrplan für Jugendliche in Gambia aussehen?
Die Antwort: Man nehme eben nicht das altbewährte deutsche duale Ausbildungssystem und verpflanze es nach Gambia. Das wäre das ewig gleiche paternalistische Helfergebahren. Wir müssen etwas Eigenes entwickeln – und wir haben genug Erfahrung gesammelt, um das zu meistern.
Es liegen mittlerweile einige Jahre Mitwirkung in den Gemeindegärten des Baddibu-Distrikts hinter uns. Wir haben zusammen gearbeitet und voneinander gelernt. Vielfach mussten wir Ratschläge, wie zum Beispiel die Fruchtfolge bei eher unbekannten Gemüsesorten, praktisch verdeutlichen. Es bereitete Freude, die Menschen zu erreichen und mitzunehmen. So wird auch der Ausbildungsplan für das Gambische Jugendprojekt eine, sich bereits in der Entwicklungsphase befindende, kreative Herausforderung.
Im Einverständnis mit der „National Accreditation and Quality Assurance Authority“ (NAQAA), der Behörde des Bildungsministeriums, welche die Lizensierung von staatlich anerkannten Ausbildungsplänen vornimmt, werden wir eine sehr praxisorientierte Ausbildung, mit 80 Prozent praktischer Arbeit und 20 Prozent Theorie, durchführen. Pro Semester werden klar definierte Lernziele definiert und das Wissen bei den Auszubildenden abgefragt.
Der Lehrplan
Der theoretische Unterricht wird mit insgesamt 6 Wochenstunden – jeweils zwei Stunden an drei Tagen in der Woche – das im Gemüsegarten erfahrende und gelernte Wissen untermauern.
DIE GRUNDAUSBILDUNG
Es wird um Bodenbearbeitung gehen, um Nährstoffanalyse, um Anbauzyklen, Düngung und organische Schädlingsbekämpfung. Es wird um Formen der Bewässerung gehen, um Kompostieren und Mulchen. Es wird um Profitabilität gehen, um marktorientierte Kultivierung, um Fruchtfolge und gestaffelten Anbau. Es wird um verschiedenste Gemüsesorten und deren Nährstoffbedarfe gehen, um Mischkulturen und Gemüsefreundschaften. Es wird um Düngung und Viehzucht gehen. Es wird um Saatgutvermehrung gehen, das pro und contra von Hybridsaatgut und entsprechender Kosten-Nutzen-Rechnung. Es wird um Anbauprognose, Ertragserfassung und aufschlussreiche Datenerhebung gehen. Und um Verantwortung als Gärtner für Pflanzen, Tiere und Gerät.
Kurz: es soll ein ganzheitlicher Ansatz des gewerblichen Gemüseanbaus gelehrt werden.
DAS ZWEITE AUSBILDUNGSJAHR
Wenn die ersten 50 Jugendlichen das 2-semestrige Grundausbildungsjahr beendet haben, startet parallel die nächste Gruppe 50 Jugendlicher mit dem ersten Ausbildungsjahr, wohingegen die Fortgeschrittenen sich verschiedenen Detailbereichen der Nahrungsmittelweiterverarbeitung widmen.
Weiterhin werden dann Themen unterrichtet wie Marketing, Betriebswirtschaft, Produktentwicklung, Verpackung, Vertrieb, kurz: Unternehmertum. Es wird aber auch um Kühlung, Lagerung und Transport gehen. Obstanbau, Baumschule/Aufforstung und Landschaftsbau sollen ebenso unterrichtet werden. Und vieles mehr.
Im zweiten Ausbildungsjahr können die Jugendlichen dabei nicht nur ihre Eigeninitiative beweisen, sondern sich auch als Mentor für die Neuen einbringen.
DIE DIDAKTISCHEN PARAMETER
Die Gruppen bleiben mit 12 bis 13 Auszubildenden betont klein. Lehrende sind im 1. und 2. Semester vornehmlich die im Garten mitarbeitenden Agrarexperten, aber auch Externe – vor allem, wenn es um die unternehmerischen Themen geht. Im zweiten Ausbildungsjahr werden vermehrt ausländische Lehrkräfte hinzugezogen, auch aus Deutschland.
Die Erstellung angepasster Unterrichtsmaterialien wird eine eigene Aufgabenstellung sein. Wir müssen davon ausgehen, dass viele Auszubildende wegen unerschwinglich hoher Schulgebühren vielfach nur eine Grundschulausbildung mitbringen. Wir finden, dass auch sie ein Recht auf eine substantielle Ausbildung haben. Deswegen werden wir visualisierte und verständliche Lehrmittel erstellen. Und dabei selbst zu Lernenden werden.
Weiterführende Bildungsangebote
Sehr wichtig ist uns Mädchen und junge Frauen auszubilden, sie werden eine eigene Gruppe bilden. Gerade sie wollen wir befähigen eine Eigenständigkeit aufzubauen – damit sie nicht einer frühen Verheiratung und Abhängigkeit unterliegen. Und sie wollen mehr.
Dazu Mariama Jallow, Anwärterin für das Jugendprojekt: „With the wealth of knowledge and experience which I will gain during my training, I will be able to become a horticulturist and hence be able to sustain myself.“
Und dann wäre da noch ein weiteres bedeutsames Anliegen: Wir möchten in regelmäßigen Wochenendangeboten freiwillige Weiterbildungsmaßnahmen integrieren. Das kann Sport sein, das können Musik-Sessions sein, das können aber ebenso Vorträge zu Gesundheitsvorsorge, Ernährung, Familienplanung und Ausbildung sein. Auch heikle Themen wie Geschlechterrolle, Beschneidung, Kinderheirat, Flucht, Traumata und Re-Integration möchten wir aufgreifen. Kurz: Wir möchten alles tun, um zu einer Entwicklung von aufgeschlossenen, leistungsstarken und verantwortlichen jungen Menschen beizutragen. Wir möchten den von Perspektivlosigkeit und gesellschaftlicher Ausgrenzung belasteten Jugendlichen eine neue Chance und Selbstwertgefühl geben.