Einmal übern Ozean und zurück

Ein Gespräch mit Folgen

In Gambia. In drei Gärten des Upper Baddibou Distrikts will ich mit den Frauen und Jugendlichen einen Anbauplan implementieren. Entsprechend dem saisonalen Absatzmarkt wollen wir in drei Pflanzzyklen Gemüse und Salat anbauen. Und zwar zeitlich so versetzt, dass jederzeit Gemüse oder Salat verkauft werden kann, und die Dorfbewohner ein regelmäßiges Einkommen haben. Ich freue mich, meine eigenen Gartenkenntnisse einbringen zu können, von Direktsaat, über Gemüsefreundschaften, Setzlingen, Pikieren, Düngen, Jäten, usw.

Gerade haben wir noch ein paar Beete gerodet und abgeflemmt, jetzt ruhen wir uns im Schatten eines großen Mangobaums aus.

Ob ich ihn mitnehmen könne, nach Deutschland? Ich muss Abdullai derart entgeistert angeschaut haben, dass er nachsetzt: er plane abzuhauen, nach Europa. Aber wenn ich ihn mitnehmen könnte wäre das wohl billiger. Ich brauche eine Weile mich zu sammeln, zu schockiert bin ich über dieses Ansinnen. Reiße ich mir hier doch gerade Arme, Beine und Seele aus, um ihnen ein Einkommen und ein Leben in bescheidenem Wohlstand und Würde zu ermöglichen. Ich kontere: Und dann? Was machst du wenn du da bist? Er würde da jemand kennen . . . Du wirst keine Arbeit haben, du wirst kein Obdach haben, du bist illegal, du haust in einem Camp wie in einem Gefängnis, na traumhaft! Er könne doch vielleicht bei mir gärtnern? Ich habe keinen Platz und ich kann dich nicht bezahlen. Er bräuchte auch nur einmal am Tag was zu essen . . . und es wäre ja auch nicht so teuer . . . man bekäme Geld für Zugfahrten und Essen . . . Ich bin fassungslos.

Ich versuche ihm freundlich und motivierend die bevorstehenden Möglichkeiten hier in Gambia aufzuzeigen: Dass er doch jetzt Geld verdienen könne, er könne bei seiner Familie sein, sich auf sein nächstes Kind freuen, seine Frau unterstützen und ein hübsches, komfortables Häuschen bauen. Er könne es wirklich zu was bringen. Und wenn alle unsere unternehmerischen Pläne aufgehen, könnten wir kleine Betriebe aufbauen, Produktionsstätten, die vielen Jugendlichen Arbeit und Anstellung geben können . . .

Wir werden unterbrochen, die Frauen marschieren wie ein Arbeitsbatallion zu ihren Beeten, ich muss Fragen beantworten, helfen, die Setzlinge zu positionieren, Ratschläge zu Schädlingsbekämpfung geben. Das Gespräch mit Abdullai läuft mir nach, macht mich traurig, ja, sogar ein wenig wütend.

Zwei Tage später sitze ich mit unserem Projektmanager und unserem Projektkoordinator zusammen und berichte von diesem Vorfall. Nurudeen fängt an zu weinen. Was ich nicht wußte, es sind in den vergangenen Wochen 15 Jugendliche aus umliegenden Dörfern abgehauen. Er hat mit vielen unserer Jugendlichen geredet, gefleht, diskutiert, versucht Wünsche zu verstehen, versucht zu überzeugen. Um immer noch von diesen irrwitzigen Träumen zu erfahren.

Wir müssen uns noch mehr anstrengen, vor allem die Jugendlichen mehr einbinden. Sie sind, wie alle Jugendlichen auf der Welt eben auch empfänglich für Abenteuer und neue Erfahrungen. Unkraut jäten gehört halt nicht zu den spannendsten Aufgaben. Wir versuchen Ideen zu entwickeln: Vielleicht eine Burger-Bude mit Zulieferung an Restaurants . . . vielleicht eine kleine Produktionsstätte für Verpackungen . . . vielleicht eine Art Lounge-Bar eröffnen . . . vielleicht sogar einen Eisverkauf starten . . . 

Vielleicht sind diese Ideen genauso irrwitzig wie die Traumreisen über den Ozean, aber wir können versuchen, die Jugendlichen einzubeziehen und herauszufordern. Wir werden helfen zu beweisen, dass es geht. Dass „zusammen Arbeit schaffen“ eine Perspektive sein kann.

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