Für eine sinnvollere Entwicklungszusammenarbeit

Edith Lanfer hat schon oft die fragwürdige Umsetzung deutscher Entwicklungshilfeprojekte kritisiert. In ihrem Seitenblick möchte sie ihre eigenen Projekterfahrungen einbringen und sich einsetzen – für eine sinnvollere Entwicklungszusammenarbeit.

In meiner letzten Wochenschau des nunmehr vergangenen Jahres erwähnte ich bereits die teils fragwürdige Mittelvergabe von Entwicklungshilfegeldern: www.sabab-lou.de/wochenschau2018-kw47-50/.

Nun bräuchte uns das in unserer Arbeit ja nicht weiter beirren, schließlich gehen wir achtsam und verantwortlich mit unseren beschränkten Mitteln um. Ich finde aber, dass unsere Verantwortung für benachteiligte Menschen, Gesellschaften und Länder über eine fokussierte und gewissenhafte Umsetzung von Projektmaßnahmen hinausgeht. Ich möchte unsere Erfahrungen einbringen und Stellung beziehen, ja, kämpfen für eine sinnvollere Entwicklungszusammenarbeit.

Manchmal muss man NEIN sagen

Niemand benennt dies gerne, aber Rückschläge und ihre Lerneffekte gehören zur Entwicklungszusammenarbeit dazu, wir möchten dies nicht verschweigen. Seit 2010 haben wir viele Erfahrungen in unseren landwirtschaftlichen Projekten in Gambia und Nordost-Ghana gesammelt. Wir haben Rückschläge erlebt, haben Förderung eingestellt, wenn wir den Willen zur Veränderung falsch eingeschätzt haben, wenn wir die Gefahr von bittstellendem Verhalten bemerkten. Nein zu sagen, angesichts bettelarmer Zustände war und ist die größte Anstrengung. Wir haben Förderung eingestellt, wenn zum Beispiel seitens einer Dorfgemeinschaft kein Wille zur Rücklagenbildung bestand, und, statt Eigeninitiative einzubringen weitere Unterstützung gefordert wurde. Oder wir haben unnachgiebig die Darlehensrückzahlung eingefordert, anstatt Kredite aufgrund ´widriger Umstände´ einfach abzuschreiben. Wir finden es nicht nur kontraproduktiv, sondern sogar immens schädlich, würden wir arme Menschen einfach dauerhaft alimentieren. Damit ersticken wir Motivation, Kreativität, Leistungsbereitschaft – und letztlich auch die Würde der Menschen.

Natürlich treiben uns besonders die positiven Entwicklungen an. Zumeist haben wir eine hohe Leistungsbereitschaft und Veränderungswillen erfahren. Dorfgemeinschaften, die prognostizierte Ernteergebnisse weit übertroffen haben und ihre Anstrengungen soweit erhöhten, dass sie nun selbständige landwirtschaftliche Unternehmer sind. Und stolz darauf sind. Fördern und (heraus)fordern – damit haben wir beste Erfahrungen gemacht. Die Prämisse: wer sich nicht anstrengt, hat in unserem Projekt nichts zu suchen; wer seinen Willen und seine Leistung einbringt, findet unsere Unterstützung. Das gilt nochmal überzeugter und konsequenter für das Jugendprojekt, welches wir in wenigen Monaten in der North Bank Region von Gambia starten werden.

Wir sind uns bewusst, dass mit dem Jugendprojekt – Arbeit und Ausbildung im Gemüsebau und verwandten Berufsfeldern – sehr vielschichtige Herausforderungen auf uns zukommen werden. Wir werden für nachhaltige Perspektiven und Produktivität in der gambischen Landwirtschaft kämpfen.

Hohe Entwicklungshilfe-Etats sind nicht hilfreich

Lassen Sie mich mit einem Beispiel aus Gambia beginnen: Als wir erste Quotierungen für den Gebäudekomplex zur Ausbildung und Unterbringung von jährlich 100 Jugendlichen einholten, erreichten uns Kostenvoranschläge von 870.000 Euro bis über 1 Million Euro. Auf fassungslose Nachfrage wurde uns gesagt, dass andere Organisationen damit keine Probleme hätten, schließlich reflektiere das Gebäude das Profil des Projekts. Das stimmt mich nachdenklich: Entwicklungshilfe im Kräftefeld von Monopoly-Kapitalisten? Auf dieses Spiel wollen wir uns nicht einlassen. Wir werden jedenfalls einen bescheidenen, funktionstüchtigen Komplex bauen für 160.000 Euro in zwei Bauphasen.

Ein weiteres Beispiel ist die Entlohnung. Wir werden Verpflegung, Unterkunft und eine profunde Ausbildung bieten – für ein monatliches Gehalt von 1.500 Dalasi (~ 30 Euro), davon werden 500 Dalasi ausbezahlt, 1.000 Dalasi pro Student werden in einem staatlichen Rentenfonds angelegt und nach Abschluss der zweijährigen Ausbildung ausbezahlt. Ähnliche Projektvorhaben, die zurzeit in Gambia wie Pilze aus dem Boden schießen, versprechen Gehälter von bis zu 5.000 Dalasi (~ 100 Euro) im Monat. Damit würde man Korruption unterbinden, heißt es. Ich halte diese, an landesüblichen Verhältnissen gemessene, üppige Geldvergabe für gefährlich. Sie schürt nicht nur dauerhaft unhaltbare Hoffnungen, sondern gibt auch ein fragwürdiges Bild der Geber ab. Wir sind reich, wir sind gut, wir teilen.
Wir tragen mit einem solchen Gebaren aber auch zu einer fatalen Öffnung der gesellschaftlichen Schere bei. Und zwar zwischen denjenigen, die eine Nähe zu internationalen Organisationen haben und denjenigen, die sich die durch unmäßige Entwicklungshilfe verdorbenen Preise nicht mehr leisten können. Haiti, nach dem Erdbeben 2010 überschüttet mit Hilfsgeldern, ist da ein Musterbeispiel schädlichen Einflusses. Hauptsache, projektbezogene Gelder konnten ausgegeben, Entwicklungshelfer beschäftigt und Überproduktionen der Geberländer abgebaut werden. Nachhaltige Jobs und gewerbliche Produktion sind nicht entstanden, die Lebenssituation armer Menschen hat sich dramatisch verschlechtert – zugunsten einer korrupten, einem westlichen Lebensstil angepassten Elite, die sich gedankenlos bereichert hat.

Der Irrsinn: Entwicklungshilfegelder als Wiedergutmachung

Erlauben Sie mir hier noch weitere Hindernisse zu beschreiben, die uns zu schaffen und arme Menschen zu Leidtragenden machen.

Da ist zum einen unsere hochtechnisierte, subventionierte europäische Landwirtschaft. Sie zerstört die Binnenmärkte afrikanischer Staaten. Der Vorwurf, dass arme Staaten nicht von der Möglichkeit, Handelszölle zu erheben Gebrauch machen und damit selbst schuld an ihrer kränkelnden Landwirtschaft seien, ist ungeheuerlich. Freie Marktwirtschaft entbindet uns nicht von globaler Verantwortung. Es gibt Gesetze gegen Waffenexporte – es gibt keine Gesetze gegen ´gewaltsame´ Agrarexporte. Nicht so schlimm, wir machen es ja mit unserer Entwicklungshilfe wieder gut! Lesen Sie hierzu aktuell: www.zdf.de/nachrichten/heute/der-wahnsinn-mit-dem-weizen-100.html

Dann wäre da noch das gedankenlose kannibalistische Vorpreschen multinationaler Konzerne im Agrarbereich. Beispiel: im nordghanaischen Chereponi-Distrikt unterstützen wir Farmerinnen im Soja-Anbau. Neben den kargen Feldern der Kooperative gibt es nun ein Demonstrationsfeld eines großen ghanaischen Agrarkonzerns (in Zusammenarbeit mit USAID), bearbeitet mit ´modernsten Agrartechniken´. Ein üppiges Feld. Das Saatgut und die Unkrautvernichtungs- und Düngemittel des Konzerns versprechen nie dagewesene Erträge. Wir kommen mit unseren nachhaltigen aber langwierigen Kompostier-Maßnahmen und der Aufklärung in ganzheitlicher Bodenbewirtschaftung nicht gegen diese ´Wunder´ an. Eine Kosten-Nutzen-Rechnung macht auch die Farmerinnen zu Gewinnern. Für eine Weile. Einmal auf diese ´wundersame´ Bewirtschaftung eingelassen, gibt es kein zurück. Der große Gewinner: die multinationalen Konzerne. Die Abhängigkeit der Produzenten ist lediglich Kollateralschaden einer machtvollen Industrialisierung der afrikanischen Landwirtschaft.

Rausgehen? Aufgeben? NEIN!

Sie mögen sagen, dann gehen Sie doch mit gutem Beispiel voran und gehen raus aus der Entwicklungszusammenarbeit! Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit dem ´Irrsinn einer schädlichen Entwicklungshilfe´, wie der renommierte Autor und Spiegel-Korrespondent Bartholomäus Grill es nennt, zu begegnen. Streiten, aufklären, überzeugen, kämpfen! www.sabab-lou.de/was-wir-anders-machen/

Ja, das ist sehr anstrengend. Nicht, dass wir mit der Projektarbeit nicht schon genug zu tun hätten, aber diese Anstrengung halte ich für ebenso wichtig wie die Ausbildung in ganzheitlicher Landwirtschaft.

Was wir tun, um unsere Ziele zu erreichen

Wir werden kämpfen. Für wirkliche Perspektiven für benachteiligte Menschen. Gegen alles, was diesem Ziel zuwiderläuft. Ganzheitliches, umfassend verantwortliches Arbeiten ist nicht nur Projekt-Maßnahme – es ist eine Haltung. 

Dass wir mit dieser Haltung nicht alleine dastehen, davon sprechen auch folgende empfehlenswerte Artikel, welche zur Jahreswende erschienen. Nennen möchte ich den beherzten Artikel von Dr. Volker Seitz – Autor, Afrika-Experte, u.a. Botschafter in 3 afrikanischen Staaten – in seiner Streitschrift Plattform Achgut.com: www.achgut.com/artikel/afrika_hat_genug_von_seinen_helfern.

Ebenso die profunde, differenzierte Faktenfassung / Rezension von FAZ-Wirtschafts-Redakteur Philipp Plickert auf edition.faz.net: edition.faz.net/faz-edition/wirtschaft/2018-12-31/95c10c4e294d68398b3d378e5207af80/?GEPC=s9

Lesen Sie gerne auch den vor wenigen Tagen erschienenen Artikel von Ulrich Schreyer in der Stuttgarter Zeitung: www.sabab-lou.de/wp-content/uploads/2019/01/STZ_BeitragSababLou-181228.pdf.

Wir stehen für Eigeninitiative und überzeugte Anstrengung – zusammen Arbeit schaffen eben. Begleiten Sie unsere Arbeit mit kritischer Aufmerksamkeit. Danke. 

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