Die Bewerberinnen und Bewerber für das Gambische Jugendprojekt

Die Ausschreibung erfolgte über einen gambischen Radiosender und Mitteilungen in allen Distrikten. Es kamen über 80 Interessenten. Auf 40 Ausbildungsplätze. Aus allen Regionen des Landes

Um kurz nach acht Uhr trafen die ersten Kandidatinnen und Kandidaten ein. Momodou, unser Projektleiter der gambischen Nichtregierungsorganisation RDO und Christian, Projektmanager von Sabab Lou, hatten sich gut vorbereitet. Sie wollten die Interviews so persönlich wie möglich gestalten. Doch wir merken schnell, dass wir angesichts der Vielzahl etwas straffen müssen.

In großer Runde schildern wir unser Angebot, unsere Zielsetzung und unsere Bedingungen. Wir bieten eine zweijährige umfassende Ausbildung in „Holistic Agribusiness Solutions“. Das bedeutet nicht nur die Vermittlung von Fachwissen im Gemüsebau und Anbau von Feldfrüchten. Es beinhaltet weitere Berufsfelder im landwirtschaftlichen Bereich wie Nahrungsmittelverarbeitung, Landschaftsbau, Tierzucht, Landmaschineneinsatz, ebenso wie Marketing, Produktentwicklung, Marktanalyse, Geschäftsplanung und vieles mehr. Und zwar im Detail. Es reicht uns auch hier nicht Kenntnisse zu vermitteln, es geht um die Umsetzung, um das Herunterbrechen und Durchexerzieren unternehmerischer Maßnahmen. Wir wollen zusammen Arbeit schaffen, wir wollen, dass sie sich eine Existenz aufbauen können. Das sei unser Ziel.

Aber wir verlangen viel. Wir erwarten bedingungslosen Einsatz, im Feld wie im Klassenzimmer, mit nur sehr wenig Freizeit. Wir werden zusammen leben, essen, produzieren und studieren. Um das Beste aus jedem von ihnen herauszuholen und zu entwickeln. Wer dies nicht leisten mag oder kann, der möge überlegen, den Platz den Entschiedeneren zu überlassen.

Daraufhin verlassen einige wenige Applikanten den Wartebereich. Momodou und Christian interviewen nun jede einzelne Kandidatin, jeden einzelnen Kandidaten. Herkunft, Ausbildung, Familienstand, Erfahrungen, Kenntnisse, usw. Und, warum sie teilnehmen wollen. Kritische Nachfragen zu ihren Vorstellungen, ihrer Einsatzbereitschaft und Leistungswillen, ihrem erforderlichen Durchhaltevermögen, ihrer persönlichen Lebensplanung, präzisieren den Eindruck. Die Auswahl wird schwer werden.

Es sind bewegende Erfahrungen für uns. Junge Männer, die flehentlich nach einer Perspektive suchen, junge Frauen, die diese Ausbildung wollen, auch, um eine Verheiratung hinauszuzögern. Da ist der immer noch junge Familienvater, der vor 3 Jahren den Polizeidienst verließ und den backway, den illegalen Weg nach Europa, antrat, 18 Monate in Libyen und 6 Monate in Tunesien verbrachte. Der desillusioniert ist von den vielen falschen Versprechungen, der nur eins will: eine fundierte und nachhaltige Existenz aufbauen für sich und seine Familie. Da ist die junge Frau, die kaum aufzuschauen wagt, der die Stimme versagt aus Angst etwas Falsches zu sagen und damit die Teilnahme an der Ausbildung zu vermasseln. Sie fängt an zu weinen, als sie, trotz 9-jähriger Schulbildung, der Aufforderung zum Vorlesen eines Paragraphen nicht nachkommen kann, leise stotternd vor Scham. Da ist der junge Bursche, der zu spät dran ist, immer wieder während seiner 6-stündigen Anreise anruft wir mögen ihm nicht die Tür verschließen. Der uns erklärt, dass seine Eltern und er allen Verdienst zusammengelegt hatten, um dem Bruder den backway zu ermöglichen und sie nun nichts mehr besitzen, um ihn zurückzuholen. Er will Gemüsebau und Tierzucht studieren und für seine Familie sorgen können, er werde der Beste seines Jahrgangs sein, wir müssten ihn nehmen. Da ist die schwangere junge Frau, die insistiert sie könne bis zur Niederkunft hart arbeiten und auch mit Kind die Feldarbeit verrichten. Sie fleht uns an, sie würde uns nicht enttäuschen.

 

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