Die Kommunen sind überlastet
Immer mehr Menschen fliehen vor Krieg, Not und Elend in ihren Heimatländern und suchen Zuflucht in Europa. Einmal angekommen in den italienischen Auffanglagern zieht es viele in die wohlhabenderen Länder des Nordens, nach Deutschland, Schweden oder die Niederlande. Sind sie in Deutschland, werden sie den Landkreisen und Kommunen zugeteilt, wie etwa Esslingen oder München oder der nordrheinwestfälischen Kleinstadt Burbach. Diese haben dann zunehmend ein Problem. Vor ein paar Tagen meldet der Landkreis Esslingen, dass er keine weiteren Flüchtlinge mehr aufnimmt. Man habe schlicht keine geeigneten Unterkünfte mehr. Die Stadt München reagiert ähnlich. Es können keine weiteren Asylbewerber in die Bayernkaserne einquartiert werden, es mangele in der Erstaufnahmeeinrichtung an Personal, Schlafplätzen, Lebensmitteln, Decken. Solche Meldungen sind keine Einzelfälle mehr, leider. Da geht nicht arg viel mehr. In diesem Zusammenhang ist auch die Nachricht über die Ausschreitungen des überforderten, nicht hinreichend qualifizierten Wachpersonals in Burbach zu verstehen.
Auch immer mehr Wirtschaftsflüchtlinge
Deutschland entwickelt sich zum „Asylmagneten“ in Europa, so titelt Die Welt am 16. Oktober 2014. Immer mehr Menschen suchen Asyl in Deutschland, weit mehr als in anderen EU-Staaten. Werfen wir einen kurzen Blick auf die Zahlen, die wir, soweit möglich, eingrenzen wollen auf Armutsflüchtlinge. Kriegsflüchtlinge aus Syrien, die größte Gruppe von Asylsuchenden derzeit, sind darin nicht enthalten. So wurden zum 30.9.2014 insgesamt 111.235 Asylanträge in Deutschland gestellt. (Quelle: BAMF) Gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr mit 76.845 Antragsstellern bedeutet dies eine Erhöhung um 34.390 Personen, sprich 44,75 Prozent. Bis zum Jahresende 2014 werden rund 200.000 Asylsuchende erwartet, und das wohlgemerkt ohne die syrischen Kriegsflüchtlinge.
Mehr kann zuviel sein
Man muss befürchten, dass Deutschland diesem Ansturm nicht gewachsen ist und alle Bemühungen, ihm zu begegnen, zu keinem guten Ende führen. Weder Deutschland noch die anderen EU-Länder scheinen in der Lage, den Flüchtlingsstrom zu steuern oder zu kontrollieren.
Aber die deutschen Politiker, allen voran die Bundes- und einige Landespolitiker, profilieren sich mit Rufen nach noch mehr Hilfsbereitschaft, noch mehr Aufnahmelager und weiß der Himmel noch was. „Das Boot ist nie voll. Der Konsens, hier zu helfen, ist so groß wie nie“, meint der grüne Landespolitiker Kretschmann. (Die Zeit, 9.10.2014) Ihnen scheint nicht bewusst, was sie den Kreis- und Kommunalpolitikern, vor allem aber der Bevölkerung aufbürden. Sie stricken am falschen Ende. Noch mehr wäre eben nicht gut. Das meint der englische Ökonom Paul Collier, der bei der unkontrollierten Zunahme eines Flüchtlingsstroms den inneren Zusammenhalt einer Gesellschaft gefährdet sieht. (Spiegel, 6.10.2014) Er beschreibt die Interaktivität der Vielfalt oder Diversität und dem Wohlstand einer Gesellschaft mit einem umgedrehten U. Bis zu einem gewissen Grad der Diversität steigt der Wohlstand, mit zunehmender Diversität aber nimmt er rapide ab.
Was könnte helfen? Denken wir mal vom anderen Ende her, da, wo die Probleme ihren Ursprung haben, den Ursprungsländern. Was spielt sich ab, wenn junge Leute aus den armen Ländern sich auf und davon machen? Wir kennen die Situation aus einigen Ländern in Subsahara-Afrika, in denen wir mit unseren Projekten engagiert sind.
Es sind nicht die Ärmsten, die abhauen
Zum einen sind es nicht die Ärmsten, die sich auf den Weg durch die Sahara nach Libyen oder über den Atlantik auf die Kanaren machen. Sie, oder besser gesagt, ihre Familien bringen immerhin das Geld für das Ticket für den riskanten Trip auf. Und das ist nicht wenig, mindestens 500 EURO zunächst einmal nur bis Libyen. Und von da aus noch einmal 500 bis 1000 EURO für die Überfahrt auf einem Seelenverkäufer nach Lampedusa. Die Ärmsten bleiben zurück. Die Konsequenz daraus: Die Gesellschaften des globalen Südens bluten aus. Wir kennen gambische Dörfer mit 1000 Einwohnern, wo 2013 bis zu 50 Jugendliche im Alter zwischen 18 und 25 Jahren „abgehauen“ sind, und das waren die Mutigsten und Entschlossensten. Gerade diese Dörfer aber bräuchten junge Leute mit Mut, Entschlossenheit und Wissen. Und nebenbei, wir kennen auch solche, die es nicht geschafft haben, die in Libyen auf offener Straße von hasserfüllten Radikalen erschossen wurden oder ihr Grab vor Lampedusa gefunden haben.
Emigration kontrollieren und legalisieren
Henryk M. Broder hat es auf den Punkt gebracht. Für die Flüchtlinge aus den armen Regionen sollte das „Verursacherprinzip“ gelten. (Die Welt, 21.10.2014) Gesellschaften wie Individuen, die mit dem Anspruch der Autonomie auftreten, sind ab einem bestimmten Punkt ihrer Entwicklung für sich selber verantwortlich und sollten gerade stehen für ihr Tun und Lassen. Die Lösung der Probleme muss von diesen Ländern ausgehen, am richtigen Ende sozusagen. Dabei können wir sogar helfen. Zum Beispiel, indem wir die Emigration legalisieren. Die sollte nur nach bestimmten Regeln und unter bestimmten Bedingungen möglich sein. Junge Leute etwa aus Entwicklungsländern sind willkommen, sich bei uns aus- und weiterbilden zu lassen. Wir bieten unser ganzes Wissen, unser ganzes Know-how an zum Transfer. Aber sie sollten das Wissen dann mitnehmen und in ihren Heimatländern einsetzen. Das sollte der Deal sein, und der sollte von Anfang an klar gemacht werden mit ihnen und ihren Herkunftsländern. Was spräche dann dagegen, die illegalen Emigranten, die sog. Illegals nicht mehr zu dulden und sie konsequent wieder zurückzuführen in ihre Herkunftsländer? Klare Ansage also, dass wir das illegale Spiel nicht mehr mitmachen. Das legale hingegen sollte gefördert werden. Dahin sollte sich die Politik der entwickelten Staaten, aber auch der sog. Entwicklungsländer orientieren. Es wäre zu beiderseitigem Nutzen. Indem wir immer mehr Arme dieser Welt barmherzig aufnehmen, geben wir das falsche Signal für Armutsmigration. Anstatt sie einzudämmen, fördern wir die Flüchtlingswelle.
Entwicklungshilfe, die Arbeit und Zukunftsperspektiven schafft
Noch ein weiteres wäre zu tun, und das wäre genauso wichtig. Die Entwicklungshilfe müsste viel konsequenter darauf abzielen, dass Chancen und Möglichkeiten, Einkommen zu generieren, geschaffen werden, und zwar so, dass die Menschen dauerhaft davon leben können. Nur Geld geben, reicht nicht und ist oft sogar schädlich. Unsere Stiftung Sabab Lou fördert Agrarprojekte in Gambia und Ghana. Hunderte von Frauen und Jugendliche arbeiten in diesen Projekten. Sie bauen Gemüse an in der Trockenzeit oder Feldfrüchte in der Regenzeit. Mit dem Erlös aus dem Verkauf ernähren sie ihre Familien, aber halten auch ihre Gärten in Schuss, warten die solaren Pump- und Bewässerungsanlagen oder die Traktoren, mit denen sie ihre Felder nach der Trockenzeit pflügen. Nach 3, 4 Jahren beginnen die Projekte, sich selber zu tragen. Die Frauen und ihre Dörfer übernehmen peu a peu die Verantwortung dafür. Was die Abwanderung in unseren Dörfern angeht, so haben sich in diesem Jahr deutlich weniger Jugendliche nach Libyen aufgemacht als die Jahre zuvor. Sie realisieren, dass sie auch da wo sie leben, arbeiten und Geld verdienen können. Und damit ist ihnen, aber auch uns gedient.
Das Problem der Armut lässt sich nicht dadurch lösen, dass wir immer mehr Armutsflüchtlingen Zuflucht gewähren. Damit verschlimmern wir nur die Lage in diesen Ländern und schaffen zusätzlich bei uns Probleme. Man muss am richtigen Ende ansetzen, in diesen Ländern, und Bedingungen schaffen, die es den Menschen ermöglichen, mit ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen.