Abgeben ist nicht so einfach

Seit Jahren, gar Jahrzehnten sind sie die Mächtigen im Dorf, ihre Rolle übernahmen sie von ihren Vätern, Urgroßvätern, sie geben sich redlich Mühe.
Das tradierte Rollenverständnis erlaubt keine Kritik, man gebietet, man diskutiert nicht. Die intrinsisch mit dieser Rolle verbundene Ehrfurcht und Ehrerbietung salbt ihr Selbstverständnis. Die Rolle ist ihre Identität.
Auf ihre Einladung hin beginnen wir ein Einkommen generierendes Projekt, sie sind stolz auf die durch ihr Einwirken verbesserten Lebensverhältnisse, die dieses Projekt ihrem Dorf bringt. Gerne sehen sie uns an ihrer Seite.

Unser Anliegen hingegen ist die Eigenständigkeit der Menschen, eine Exit-Strategie seitens der Stiftung inbegriffen. Wie der kenianische Ökonom James Shikwati fordert, verlagern wir die Steuerung des Projekts im Laufe der Begleitung vollständig auf die Mitwirkenden. Sie sollen ihre Zukunft in ihrer eigenen Dynamik und eigenen Verantwortlichkeit gestalten. Zunächst bauen wir gemeinsam organisatorische Strukturen auf, beteiligen vornehmlich die Frauen und die Jungen, geben ihnen eine Stimme. Dann übernehmen sie das Kommando. Die Veränderung ist gewollt. „Wir arbeiten, dann können wir auch entscheiden“, meint Neneh, Leiterin des Gartenkomitees von Chamen.

Neneh verdient sich mit dem Verkauf von Erdnussbutter ihren Lebensunterhalt.

„Wir arbeiten, dann können wir auch entscheiden“. Neneh verdient sich mit dem Verkauf von Erdnussbutter ihren Lebensunterhalt.

Und Jene? Fühlen die Mächtigen sich da nicht ihrer Weisungsbefugnis beraubt, ihrer Wertschätzung beraubt? Auch wenn wir sie immer mit einbezogen haben, immer höflich und respektvoll waren, so mussten sie doch wahrnehmen, dass wir demokratische Strukturen bevorzugen, dass wir Kompetenz fördern, nicht Positionen.

Ist es angesichts dieser Irritationen nicht verständlich, dass sie verstärkt um ihren Machterhalt ringen? Niemand möchte gerne vorgeführt werden, niemand würde gerne seine Rolle verlieren, überholt werden von Jüngeren, oder gar den Frauen. Das war noch nie so! Erst seit wir da sind. So die brisante Sichtweise der Ältesten.

Abgeben, ohne zu verlieren. Das ist eine wichtige Aufgabenstellung. Eine Entscheidung die wir nicht einfordern können, die vielmehr aus Einsicht wachsen muss – naja, gestupst haben wir schon – die im Dorfverbund ausgehandelt werden muss. Die Größe verlangt. Und ja, eine neue Identität erfordert.
Wie geht es uns, wenn wir eine Position, eine Befugnis abgeben sollen? Wenn die Bewunderung für Erreichtes nur eine wohlige Erinnerung bleibt? Wenn wir überholt werden von einer anderen Welt?

einmischen

Noch sind die Frauen und Jungen leise verhalten in großer Runde, das laute Gebaren der Oberhäupter ist richtend. Manchmal verstecken sie sich hinter uns, erbitten unser Eintreten für ihre Belange, wenn sie schädigendes Verhalten der Mächtigen aufdecken. Oft zweifeln wir, ob unsere Einmischung angebracht ist.
Aber wir sind zu alt für Autoritätshörigkeit. Und wir wollen in einigen Jahren das Projekt abgeben und in die Eigenverantwortlichkeit der Dörfer entlassen, dann sollte es funktionieren mit dem Mut und der Eigenständigkeit und Entscheidungsfreiheit.

Geduld. Abgeben ist nicht so einfach. Und auch die Courage will gelernt sein.

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